Was ist eigentlich… Cellulose?

 

Bäume und Sträucher, Blumen und Gräser trotzen mit ihrer Hilfe der Schwerkraft: Cellulose. Als Gerüstsubstanz der pflanzlichen Zellwände verleiht Cellulose den Pflanzen Festigkeit und macht sie gegen den Einfluss von Regen unempfindlich. Ihren Namen hat die Cellulose vom lateinischen Cellula (kleine Zelle) [1].

Häufigster Naturstoff der Erde

Cellulose, zu 50% in allen pflanzlichen Zellwänden enthalten, ist der häufigste Naturstoff unserer Erde und wird dabei fortlaufend neu gebildet. Der Zauber, der das bewirkt, ist die Photosynthese. Menschen und Tiere atmen Kohlendioxid aus, die Pflanzen nehmen es aus der Luft auf, aktivieren es und bauen daraus einen Zucker-Baustein auf, nämlich das Traubenzucker-Molekül (Glucose), also ein Kohlenhydrat [2].

500 -10.000 Glucosemoleküle werden dabei chemisch schrittweise zu einer langen gestreckten Kette verbunden, deren räumliche Orientierung die Festigkeit bewirkt. Es entsteht ein sehr großes Molekül (Bio-Makromolekül) aus Glucose-Einheiten (Abb. 1). So kann ein einziger Baum unter Mitwirkung von Sonnenlicht und Blattgrün aus Kohlendioxid der Luft und Wasser täglich 14 g Cellulose herstellen.

Alle täglich gebildeten Cellulosemoleküle aneinandergereiht ergeben eine Strecke, die 175x der Entfernung von der Erde zur Sonne entspricht.

Wichtiger Vertreter der Makromoleküle

Obwohl Cellulose schon im Altertum bekannt war und genutzt wurde, ist ihr chemischer Aufbau erst in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts aufgeklärt worden. Hermann Staudinger (Nobelpreis 1953)gelang der Nachweis, dass es wirklich Riesenmoleküle, „Makromoleküle" wie z.B. die Cellulose gibt [3]. Aus dem Verbund vieler Celluloseketten folgt die typische Faserstruktur der Cellulose.

Univerzichtbar für die Papier- und Textilindustrie

Schon früh hat man Cellulosefasern genutzt, um daraus Papier und Textilien zu gewinnen. Mehr als 3000 Jahre vor unserer Zeitrechnung wurden in Ägypten aus dem Mark der Papyrus-Staude beschreibbare, dünne Bögen hergestellt. Später verdrängte Pergament, aus Tierhaut hergestellt, Papyrus als Schreibmaterial. Heute liefert überwiegend Zellstoff aus Holz die Cellulosefasern für Zeitungs-, Druck- und Verpackungspapier [4].

In der Weiterverwertung findet Cellulose aus sortiertem und zerkleinertem Zeitungspapier Verwendung für Wärmedämmung und Schallschutz.

Viele unserer täglich genutzten Textilien, z.B. Blusen, Hemden, Röcke, Handtücher und Bettwäsche sind durch Spinnen und Weben hergestellte Materialien aus Cellulose: Baumwolle (aus den Samenhaaren des Baumwollstrauchs), Leinen (Flachs; aus den Stängeln der Leinpflanze) und Hanf (aus den Bastfasern der Cannabis- Staude).

Die Bedeutung als Rohstoff geht über Produkte aus Cellulose selbst weit hinaus. Chemische Veränderungen an den Glucose-Einheiten unter Beibehaltung der Kettenstruktur führen zu Produkten wie Acetatseide, Cellophan, Lacken und Explosivstoffen (Schießbaumwolle).

Booster für die Filmindustrie: Celluloid

Auch die Entwicklung von Kinofilmen ist erst durch weiteren Cellulose-Abkömmling, das Celluloid, möglich geworden. Als Celluloid (oder Zelluloid) werden verschiedene Verbindungen bezeichnet, die aus Cellulosenitrat und Campher hergestellt werden. Diese Kunststoffe waren gut schmelz- und formbar und konnten durch Druckgusstechnik zu Massenprodukten hergestellt werden. Viele Produkte wie Kämme, Tischtennisbälle, Kugelschreibergehäuse und Spielzeug, z.B. Puppen des Spielwarenherstellers Schildkröt (Abb. 3), wurden aus Celluloid hergestellt.

Celluloid sorgte auch dafür, dass „die Bilder laufen lernten". Um das Jahr 1885 wurde Celluloid als Trägermaterial für die Filmschicht entwickelt. Dies war die Voraussetzung für die Entwicklung von Bewegtbildern. Ab den 1960er Jahren wurde das Celluloid als Trägermaterial allerdings durch andere Stoffe ersetzt [5].

Trotz ihres weiten Vorkommens kann Cellulose als Nahrungsquelle für den Menschen nicht genutzt werden. Im Gegensatz zu manchen Wiederkäuern fehlt dem menschlichen Organismus der „Schlüssel“, um die Cellulose „aufzuschließen“, also in einzelne Zuckermoleküle zu spalten, die der Organismus verwerten kann. Trotzdem spielt sie als unverdaulicher Ballaststoff eine wichtige Rolle für die Gesundheit der Menschen.

Wichtiger Baustein für regenerative Energien

Durch die Verknappung fossiler Energieträger in den letzten Jahrzehnten wird die intensive Suche nach alternativen Energie- und Chemierohstoffen immer wichtiger. Auch hier kann die Cellulose einen entscheidenden Beitrag liefern, nämlich als erneuerbare Rohstoffquelle zur Gewinnung von Biokraftstoffen.

An den hierfür erforderlichen neuen und effizienten Technologien wird mit großer Intensität geforscht. Gelingt es in Zukunft, aus cellulosehaltigen Rohstoffen, wie zum Beispiel Stroh, Energieträger wie Bioethanol zu erzeugen, dann ist der Grundstein für Biokraftstoffe gelegt, die nicht in direkter Konkurrenz zu Nahrungs- und Futtermittelherstellung stehen. Zwei Beiträge (Nachwachsende Rohstoffe1 [6] und Nachwachsende Rohstoffe2 [7] hier auf Faszinationchemie.de beschäftigen sich mit diesem wichtigen Thema.

Der Beitrag wurde vom Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit der Seniorexperten Chemie, einer Fachgruppe der Gesellschaft Deutscher Chemiker, erstellt. 

Autorin: Dr. Ursula Kraska (bearbeitet durch kjs, Redaktion FaszinationChemie)


In unserer Rubrik „Chemie überall“ geht es um chemische Verbindungen oder chemische Verfahren, die wir im Alltag nutzen oder um Substanzen, die immer mal wieder in den Schlagzeilen sind. Die Beiträge in leicht verständlicher Form sind von Chemikerinnen und Chemikern geschrieben. Alle Beiträge der Reihe: https://faszinationchemie.de/chemie-ueberall

Kommentare

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben