Speziationsanalytik – das Detail zählt!

 

Nicht jede chemische Verbindung (chemische Spezies) eines Metalls verhält sich im menschlichen Organismus oder in der Umwelt gleich. Die Speziationsanalytik hilft dabei, aussagekräftige Messwerte bereit zu stellen.

Was ist der Sinn analytischer Information?

Die Rolle der Analytischen Chemie besteht darin, Messwerte über die Konzentration der uns interessierenden Analyten in der Umwelt, in Lebensmitteln, in biologischen Systemen oder in Materialien zu liefern. Hierbei geht es uns aber tatsächlich zumeist nicht um die Konzentration bestimmter Substanzen per se, sondern um die Möglichkeit, Wirkungen und Effekte der untersuchten Proben auf Mensch oder Umwelt einzuschätzen.

Die breite Bevölkerung interessiert beispielsweise, ob Pestizide in einem Lebensmittel auf uns Verbraucher toxische Wirkungen haben können, ob ein Arzneistoff chemisch rein und damit unbedenklich ist, ob ein Nahrungsergänzungsmittel tatsächlich gesundheitsfördernd ist oder ob das Kinderspielzeug keine „giftigen Schwermetalle“ enthält.

Ist Arsen giftig?

Werfen wir einmal einen Blick auf das Gebiet der Elementanalytik. Bevor Sie weiterlesen, bitten wir Sie, einmal die Frage zu beantworten, ob Arsen giftig ist. Was ist Ihre Antwort?

Vermutlich werden die meisten Leserinnen und Leser diese Frage mit einem klaren „Ja“ beantworten, da „Arsen“ seit dem Mittelalter ein klassisches und viel zu oft genutztes Mordgift darstellt, das bis heute leider immer wieder eingesetzt wird. Schaut man einmal genauer in diese Fragestellung hinein, so stellt man fest, dass die Substanzen, die als Gifte eingesetzt werden, oftmals das Arsen(III)oxid („Arsenik“), das Arsenat oder das Arsenit sind.

Trotzdem greift die Einschätzung von „Arsen“ als giftig zu kurz: In Fischproben sind erhebliche Mengen an Arsen nachweisbar, aber diese geben keinerlei Anlass zur Sorge: Sie enthalten nämlich weniger die oben genannten Arsenverbindungen, sondern vor allem das Arsenobetain. Dieses ist nicht nur wesentlich weniger toxisch als die genannten Arsenverbindungen, sondern sogar weniger toxisch als das Kochsalz, mit dem wir unsere Speisen würzen!

Welche Informationen liefert die Speziationsanalytik?

Dieses Beispiel verdeutlich das Konzept der Speziationsanalytik in eindrucksvoller Weise: Bei einer chemischen Substanz ist nicht der Gehalt eines chemischen Elements an sich entscheidend, sondern die jeweilige Bindungsform („chemische Spezies“), in der sie vorliegt. Im Bereich der Organischen Chemie ist dies offensichtlich: Niemand käme auf die Idee, die Unterschiede zwischen dem giftigen Strychnin und dem harmlosen Rohrzucker auf den Kohlenstoffgehalt zurück zu führen. Natürlich sind diese Unterschiede auf die unterschiedliche molekulare Zusammensetzung und Struktur zurückzuführen, die eine unterschiedliche Aufnahme, Umwandlung, Reaktionsfreudigkeit und Ausscheidung im Organismus bedingen. Bei der Elementanalytik wird dagegen leider noch zu oft die Wirkung einer Substanz rein auf deren Metall(gesamt)gehalt zurückgeführt, obwohl dies wissenschaftlich nicht haltbar ist. Auch bei Elementen wie Chrom, Quecksilber, Kupfer, Eisen und vielen anderen ist es erforderlich, nicht den Gesamtgehalt eines Elements zu bestimmen, sondern die einzelnen Spezies, deren Wirkungen sich massiv unterscheiden.

Diesen Fragestellungen widmet sich das Gebiet der Speziationsanalytik: Es werden die unterschiedlichen Elementspezies durch den Einsatz geeigneter analytischer Verfahren unterschieden. Damit kann man beispielsweise harmloses dreiwertiges Chrom (Cr3+) vom krebserzeugenden sechswertigen Chrom (Cr2O72-) in Zement oder Leder unterscheiden und damit den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verbessern. Auch eine Unterscheidung des vom Menschen leicht aufzunehmenden zweiwertigen Eisen (Fe2+) vom deutlich schlechter aufzunehmenden dreiwertigen Eisen (Fe3+) in Nahrungsergänzungsmitteln ist möglich. Hiermit und mit vielen weiteren Anwendungen trägt die Speziationsanalytik zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit, zum Verbraucherschutz und zum Umweltschutz bei.

Die Werkzeuge der Speziationsanalytik

Leider erkauft man sich diese wichtigen Aussagen der Speziationsanalytik mit vergleichsweise teuren und aufwändigen Analysenmethoden, die oftmals den Einsatz besonders qualifizierten Personals erfordern. Schwierig ist schon die Probenahme und die Lagerung der Proben: Bereits an offener Luft wird beispielsweise Fe2+ rasch zum Fe3+ oxidiert, so dass eine Speziesumwandlung stattfinden kann, die eine Verfälschung der Probenzusammensetzung zur Folge hat. Um dies zu verhindern, muss sehr viel Aufwand betrieben werden. Im Gegensatz dazu wird bei einer Gesamtelementbestimmung die Probe in Salpetersäure gelöst und ist damit, wenn auch unter Verlust an Speziesinformation, in Form des aus allen anderen Spezies entstehenden Fe3+ sehr lange haltbar.

Als Verfahren für die Speziationsanalytik nutzt man oftmals Trenntechniken aus dem Bereich der Hochleistungs-Flüssigchromatographie (HPLC), die in der Lage sind, die verschiedenen Probenbestandteile zu separieren. Diese werden mit der induktiv gekoppelten Plasma-Massenspektrometrie (ICP-MS) für die Bestimmung der Spezieskonzentration und mit der Elektrospray-Massenspektrometrie (ESI-MS) zur Speziesidentifizierung kombiniert. Der zugehörige apparative Aufbau ist in Abbildung 1 dargestellt.

Ein Beispiel für die Trennung verschiedener Kontrastmittel für die Kernspintomographie unter Verwendung einer solchen Kopplung aus Ionenchromatographie (IC) und ICP-MS ist in Abbildung 2 dargestellt.

Im ICP-MS werden die jeweiligen Kontrastmittel, die alle das chemische Element Gadolinium enthalten, bei Temperaturen von etwa 6000°C in Atome zerlegt und die freigesetzten Gadoliniumatome werden ionisiert und detektiert. Damit ist es möglich, die chemisch sehr ähnlichen Kontrastmittel in Blut- und Urinproben, aber auch in Oberflächengewässern zuverlässig zu identifizieren und zu quantifizieren.

Fazit

Speziationsanalytik liefert wertvolle zusätzliche Informationen über das Verhalten von Metallspezies im Körper und in der Umwelt, die mit der Bestimmung des Gesamt-Elementgehalts allein nicht erhalten werden. Damit ist die Speziationsanalytik ein wichtiger und zukunftsträchtiger Bestandteil des Methodenportfolios zur Lösung aktueller analytischer Probleme.

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