Wie kommt der Impfstoff in die Zelle?

 

In der Reihe Fact Sheets veröffentlicht die Gesellschaft Deutscher 
Chemiker allgemeinverständliche Informationen zu relevanten Themengebieten. Erstellt werden die Fact Sheets von dem Expertengremium ChemFacts for Future (s. unten), in dem sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der GDCh aus verschiedenen Fachgebieten gemeinsam um relevante Themen kümmern.

Wie kommt der Impfstoff in die Zelle? (Fact Sheet 9)


Fakten:

Immunisierung ist ein wichtiger Eckpfeiler unseres Gesundheitssystems. Laut der WHO werden dadurch ca. 2-3 Millionen Menschenleben jedes Jahr gerettet [1]. Impfstoffe tragen dazu bei, dass der menschliche Körper schon vor dem ersten Kontakt mit dem Erreger eine Immunantwort aufbauen kann. Dazu wird durch den Impfstoff eine Infektion imitiert, die in den allermeisten Fällen nicht zum Ausbruch der Krankheit führt. In den letzten Jahren wurden verschiedene Impfstoffklassen entwickelt, die in der Abbildung dargestellt sind.

Problem:

Die Impfstoffe müssen abhängig von ihren Eigenschaften bei den Zellen des menschlichen Körpers ankommen, um eine Immunreaktion auslösen zu können.

Problemlösung:

Impfstoffe werden spezifisch für verschiedene Wirkmechanismen entwickelt, die im Folgenden schematisch beschrieben werden:

Aufnahme über die unspezifische Immunabwehr:

Vor allemFresszellen, oder Makrophagen, die zur unspezifischen Immunabwehr gehören, können Erreger als „Fremdstoffe“ erkennen und aktiv aufnehmen, was als Phagozytose bezeichnet wird. Bruchstücke der Erreger (sogenannten Antigene) werden anschließend auf der Oberfläche der Makrophagen präsentiert. Hierdurch wird die spezifische Immunabwehr aktiviert, durch die spezifische Abwehrproteine, sogenannte Antikörper gebildet werden. Dieser Mechanismus wird z.B. bei Lebend- oder Totimpfstoffen genutzt. [2]

Herstellung der Antigene durch die Körperzellen:

Bei manchen Impfstofftypen wird der Bauplan des Antigens in die menschlichen Zellen gebracht. Damit die Baupläne (Erbinformation, wie z.B. DNA oder mRNA) in den Zellen ankommen können, werden verschiedene „Transporter“ genutzt. Ein Beispiel dafür sind Lipidhüllen in die mRNA-Impfstoffe verpackt werden, da sie sonst im Körper schnell abgebaut werden würden und aufgrund ihrer Ladung nicht in die Zelle gelangen könnten. Eine weitere Möglichkeit, um Impfstoffe zu transportieren, sind harmlose Trägerviren, die bei Vektorimpfstoffen zum Einsatz kommen. Die Trägerviren docken an menschliche Zellen durch Oberflächenproteine an und geben die Erbinformationen in das Innere der Zellen frei. In der Zelle angekommen, wird der übermittelte Bauplan in das Erregerantigen übersetzt. Dieser Übersetzungsprozess wird als Proteinbiosynthese bezeichnet. Die produzierten Antigene werden dem Immunsystem präsentiert und lösen eine spezifische Immunreaktion aus. [3, 4]

Autorin:
Jennifer Dietrich, Bayer AG, Product Supply, Pharmaceuticals

Das Fact Sheet Wie kommt der Impfstoff in die Zelle? als pdf zum Ausdrucken

Literatur

[1] Pollard, A.J., Bijker, E.M. A guide to vaccinology: from basic principles to new developments. Nat Rev Immunol21,83–100 (2021). https://doi.org/10.1038/s41577-020-00479-7

[2] https://www.bgv-impfen.de/prinzip-der-impfung.html 

[3] Ertl HCJ. Adenoviral Vector Vaccines Antigen Transgene. Adenoviral Vectors for Gene Therapy. 2016;551-570. https://doi.org/10.1016/B978-0-12-800276-6.00021-8

[4] Reichmuth AM, Oberli MA, Jaklenec A, Langer R, Blankschtein D. mRNA vaccine delivery using lipid nanoparticles [published correction appears in Ther Deliv. 2016 Jun;7(6):411]. Ther Deliv. 2016;7(5):319-33 https://doi.org/10.4155/tde-2016-0006

[5] Vogel, Patric U. B. COVID-19: Suche nach einem Impfstoff, ISBN 978-3-658-31339-5  (https://www.springer.com/de/book/9783658313401)


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Nr. 12 (10. Mai 2022) Chemie und Endlagerung
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Nr.10  (26. Juli 2021): Zitronensäure und Menthol: Natürlich, Synthetisch, Biotechnologisch!
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Nr. 2   (11. Mai 2020): Chemie gegen Viren: Händewaschen oder Desinfektion
Nr. 1   (28. April 2020): Chemie gegen Viren: Antivirale Wirkstoffe 

Über das Gremium "ChemFacts for Future"

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Besonders der chemische Aspekt in Problemfeldern wie CO2-Emission und CO2-Bindung, Luftschadstoffbelastung oder Mikroplastikverbreitung führt dazu, dass wir uns als Chemiker*innen in der Pflicht sehen, belastbare, nicht von Lobbyismus getriebene Fakten zusammenzutragen und diese zu veröffentlichen. Wir sehen es auch als unsere Aufgabe an, in Kooperation mit Experten angrenzender Disziplinen (Medizin, Biologie, Physik) wissenschaftlich sinnvolle und ökonomisch wie ökologisch umsetzbare Lösungsvorschläge zu entwerfen und diese zu publizieren. 

Wir möchten uns als ein Gremium verstanden wissen, welches das Expertenwissen der Spitzenforscher*innen in den relevanten Themengebieten zusammenführt und es sowohl für die wissenschaftliche Community als auch die breite Öffentlichkeit auf verschiedenen Kanälen verfügbar macht. 

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