Was ist eigentlich... Fentanyl?

 

Fentanyl ist ein synthetisches Opioid, das als Schmerzmittel etwa 75-100mal stärker wirksam ist als Morphin.

“Unentbehrliches Arzneimittel“ der WHO

Das Präparat wurde 1959/1960 von dem Belgier Paul Janssen und seinem Forscherteam als erstes Anilinopiperidin-Derivat entwickelt, das eine strukturelle Ähnlichkeit zum Betäubungsmittel Pethidin (Dolantin®) aufweist. Janssen und seine Mitarbeiter haben über 80 neue Wirkstoffe in die Therapie eingeführt, wovon acht Stoffe, darunter das Fentanyl, durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel aufgenommen wurden. Mittlerweile ist eine ganze Reihe von Fentanyl-Derivaten im Arzneischatz enthalten.

Reguliert durch das Betäubungsmittelgesetz

Fentanyl ist ein weißes, amorphes, wasserunlösliches Pulver, das 1983 als Medikament in die Therapie zur Bekämpfung von starken akuten und chronischen Schmerzen sowie zur Einleitung von Narkosen eingeführt wurde. Bewährt hat sich vor allem die Anwendung von Fentanyl in Form des transdermalen Pflasters, das einen hohen Stellenwert in der Onkologie bei der medikamentösen Versorgung von Krebspatienten und in der Palliativmedizin besitzt.

In Deutschland und in vielen anderen Ländern fällt Fentanyl unter das Betäubungsmittelgesetz, das einen verantwortungsbewussten Umgang mit diesem hochwirksamen Arzneimittel gewährleistet. Nachteil der Anwendung von Fentanyl ist nämlich seine geringe therapeutische Breite, das heißt der minimale Abstand zwischen der therapeutisch wirksamen Dosis und der Dosis, bei der toxischen Nebenwirkungen wie z.B. die Lähmung des Atemzentrums auftreten. Bei intravenöser Gabe stellen zwei Milligramm Fentanyl (Abb. 3). für die meisten Menschen schon eine tödliche Dosis dar.

Verantwortlich für den Tod eines Weltstars

Die geringe therapeutische Breite von Fentanyl wurde auch dem Popsänger Prince zum Verhängnis. Er starb im Jahr 2016 an einer vermutlich versehentlich überhöhten Dosis, die er sich selbst verabreicht hatte.

Prince feierte seinen internationalen Durchbruch in der Musikszene 1984 mit dem Album „Purple Rain“, dem Soundtrack zum gleichnamigen Film. Dafür erhielt er 1985 einen Oscar. Prince hat über 100 Millionen Tonträger verkauft, wurde mit sieben Grammys sowie einem „Golden Globe Award“ ausgezeichnet und 2004 in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen.

Illegale Verwendung nimmt zu

Seit 1979 nimmt die illegale Verwendung von Fentanyl rasant zu. Besonders der nordamerikanische Schwarzmarkt wird durch Fentanyl, dessen Großteil in China hergestellt wird, überschwemmt. Verantwortlich dafür ist, das Fentanyl wie alle Opioide unser Belohnungssystem stark aktiviert und aus der Balance bringt. Diese euphorisierende Wirkung führt dazu, dass – seit etwa 2006 – in den USA Fentanyl in zunehmendem Maße als Rauschmittel missbraucht und vor allem zum Strecken vieler auf dem Schwarzmarkt käuflicher Drogenzubereitungen (Heroin, Kokain, Amphetamine) eingesetzt wird, ohne dass die Konsumenten von diesem Inhaltsstoff in ihrer Droge wissen.

Man schätzt, dass Im Jahr 2021 etwa 70.000 Menschen in den USA am nichtmedizinischen Gebrauch von Fentanyl starben. Der Wirkstoff ist damit für Amerikanerinnen und Amerikaner im Alter zwischen 18 und 45 Jahren die häufigste Todesursache.

Auch in anderen Zusammenhängen hat Fentanyl für traurige Schlagzeilen gesorgt. Im Jahr 2002 wurde bei einer missglückten Geiselbefreiung in einem Moskauer Theater ein Gasgemisch durch die Lüftungsanlage geleitet, welches die Geiselnehmer außer Gefecht setzen sollte. Das Gasgemisch enthielt unter anderem ein für die Humanmedizin nicht zugelassenes Fentanyl-Derivat [2]. Mutmaßlich durch falsche Dosierung und mangelhafte medizinische Notfallbehandlung kamen bei dem Einsatz nicht nur die Geiselnehmer, sondern auch über 120 Geiseln ums Leben.

Und im Jahr 2018 wurde Fentanyl im US-Staat Nebraska erstmals als Bestandteil einer Wirkstoffkombination beim Vollzug der Todesstrafe verwendet. Auch andere US-Bundesstaaten erwägen den Einsatz von Fentanyl bei Hinrichtungen.

Moderne Wirkstoffe: Fluch und Segen

Das Beispiel Fentanyl zeigt eindrucksvoll, dass eine chemische Verbindung Fluch und Segen zugleich sein kann. Für chronische Schmerzpatienten, Krebskranke oder andere Menschen mit starken Schmerzen ist das Mittel ein Segen, das die Lebensqualität schwerkranker Patienten deutlich erhöhen kann. Aber für Menschen, die durch den Missbrauch von Fentanyl gestorben sind, ist es ein Fluch, der sie das Leben gekostet und großes Leid über unzählige Familien gebracht hat.

Quellen

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Fentanyl
[2] https://www.faz.net/aktuell/politik/moskau-minister-narkosemittel-zur-geiselbefreiung-eingesetzt-180789.html

 

Der Beitrag wurde vom Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit der Seniorexperten Chemie, einer Fachgruppe der Gesellschaft Deutscher Chemiker, erstellt. 
Autor: Prof. Dr. Eberhard Ehlers (bearbeitet durch kjs, Redaktion FaszinationChemie)


In unserer Rubrik „Chemie überall“ geht es um chemische Verbindungen oder chemische Verfahren, die wir im Alltag nutzen oder um Substanzen, die immer mal wieder in den Schlagzeilen sind. Die Beiträge in leicht verständlicher Form sind von Chemikerinnen und Chemikern geschrieben. Alle Beiträge der Reihe: https://faszinationchemie.de/chemie-ueberall

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