Was haben eigentlich Tropfsteine mit dem Klimawandel zu tun?

 

Der Klimawandel und seine Auswirkungen sind bereits heute für alle von uns spürbar. Wie sieht aber die Entwicklung in der Zukunft aus? Um das vorhersagen zu können, ist es hilfreich das Klima der Vergangenheit besser zu verstehen. Sogenannte Klimaarchive konservieren kleinste Spuren chemischer Verbindungen, die Aufschluss über kontinentale und regionale Änderungen bieten. Dazu gehören neben beispielsweise Eisbohrkernen auch Tropfsteine, Speläotheme genannt.

Tropfsteine gehören zu den sogenannten Klimaarchiven

Tropfsteine entstehen in Höhlen durch die Ablagerung von in Tropfwasser gelöstem Kalkstein. Das Tropfwasser durchläuft vorher den über der Höhle liegenden Boden und löst dabei viele verschiedene organische Verbindungen. Diese werden während der Ablagerung in den Tropfstein eingeschlossen und so konserviert. Über die Zeit kann sich als Folge von geänderten klimatischen Bedingungen auch die Vegetation oberhalb einer Höhle ändern. Diese Veränderungen passieren jedoch sehr langsam, sodass ein Klimaarchiv wie ein Tropfstein eine sehr große Zeitspanne abdecken muss. Mittels der Analyse von nicht stabilen Uran und Thorium Isotopen ist eine genaue Datierung eines Tropfsteines bis zu einem Alter von 600 000 Jahren möglich [1].  

Tropfsteine werden bis zu 600 000 Jahre zurück datiert

Ein wichtiger Stellvertreter für die Analyse von Vegetationsänderungen ist das Polymer Lignin. Es ist nach Zellulose das zweithäufigste natürliche Polymer auf der Welt. Im Gegensatz zu Zellulose ändert sich die chemische Zusammensetzung von Lignin basierend auf der Art der Vegetation. So kann zum Beispiel zwischen Nadelhölzern und Laubbäumen unterschieden werden. Das Vorkommen von Laub- und Nadelwald wird vom Klima beeinflusst, somit kann die Analyse von Lignin genutzt werden, um Rückschlüsse auf Veränderungen der klimatischen Bedingungen an dem jeweiligen Standort zu ziehen [2].

Das natürliche Polymer Lignin ändert seine Zusammensetzung in Abhängigkeit vom Klima

Um Lignin in Tropfsteinen zu untersuchen, muss ein solcher zunächst in gleichmäßige Schichten unterteilt und gesägt werden. Nachdem die Schichten datiert sind, werden die Proben in konzentrierter Salzsäure aufgelöst. Damit die Zusammensetzung des Lignins untersucht werden kann, muss es in seine Einzelteile zerlegt werden. Dies geschieht über ein alkalisches Aufschlussverfahren, bei dem Bindungen gespalten werden und so die sogenannten Ligninoxidationsprodukte entstehen [3].

Zur Analyse muss Lignin chemisch gespalten werden

Die Menge an organischen Substanzen in den Tropfsteinen ist allerdings sehr gering, insbesondere wenn nur dünne Schichten untersucht werden sollen, um eine zufriedenstellende Zeitauflösung zu bekommen. Daher liegt die Herausforderung bei derartigen Projekten auf Seiten der Analytik. Durch eine Kombination von Anreicherungsschritten während der Probenvorbereitung, flüssigchromatographischer Trennung mittels UHPLC (Ultra High Performance Liquid Chromatography) und hochauflösender Massenspektrometrie (High Resolution Mass Spectrometry) resultiert ein spurenanalytisches Gesamtverfahren, mit welchem schließlich drei Gruppen von Ligninbausteinen nachgewiesen werden können. Anhand der Verhältnisse dieser drei Bausteine zueinander kann zwischen Laub- und Nadelgewächs sowie verholzten (Bäume, Büsche), und unverholzten (Gräser, Farne) Pflanzen unterschieden werden.

Organisch-spurenanalytische Herausforderungen: High Performance – High Resolution

Besonders ausgeprägt sind diese Unterschiede zum Beispiel bei Höhlen, die in den Bergen liegen. Bei Betrachtung einer Bergkette fällt auf, dass Bäume nur bis zu einer bestimmten Höhe vorkommen, der sogenannten Baum- oder Waldgrenze, und darüber zunächst Gräser und an den Spitzen nur Gestein zu sehen sind. Diese Grenze ist sehr stark von der mittleren Temperatur und damit vom Klima abhängig. Ist also bei der Analyse von Lignin in einem Tropfstein eine Änderung von verholzten zu nicht verholzten Spezies zu sehen, hat sich die Baumgrenze oberhalb der Höhle verschoben.

Die Baumgrenze – ein Indiz für Klimawandel

Eine solche Studie wurde in Neuseeland durchgeführt. Neuseeland eignet sich für die Klimaforschung, da es wenig menschlichen Einflüssen unterliegt und mit seiner Lage zwischen Pazifik und Indischem Ozean unter anderem vom sogenannten El Nino beeinflusst wird.

Die hier gezeigten Ergebnisse stammen von einem Tropfstein aus der Höhle „Daves Cave“ von der Südinsel Neuseelands. Sie liegt auf 1450 m Höhe und ist zurzeit von dichten Gräsern überwachsen. Wie aus der Abbildung hervorgeht, zeigen die Ergebnisse der Ligninanalyse, dass sich vor zirka 6000 Jahren sowie in der Zeit zwischen 9000 bis 15 0000 Jahren Bäume über Höhle befunden haben könnten und somit die Baumgrenze deutlich höher lag als heute. Diese Ergebnisse stimmen mit anderen Daten überein, nach denen in diesen Zeiten die Temperatur zwischen 1,5 und 3,0°C höher war als heute.

Lignindaten aus Neuseeland stimmen mit bekannten Daten überein

Der Klimawandel beeinflusst nicht nur die Vegetation, sondern kann auch Extremphänome wie großräumige Waldbrände verstärken. Bei der Verbrennung von Zellulose in Pflanzen entsteht dabei Levoglucosan, ein zuckerähnliches Molekül, das in die Luft freigesetzt wird. Durch Regenfälle wird Levoglucosan am Boden abgelagert und gelangt so schließlich auch in Tropfsteine. Durch Analyse des Moleküls in den Tropfsteinen können so zigtausend Jahre zurückliegende Brandereignisse rekonstruiert werden.

Levoglucosan als Feuermarker

Bislang wurden keine großen Studien mit Levoglucosan in Tropfsteinen durchgeführt. Die Verbindung konnte aber in der hier gezeigten Tropfsteinprobe nachgewiesen werden und ist somit ein vielversprechender Weg, um zu erfahren, ob in der modernen Zeit die Häufigkeit und Intensität von Waldbränden gestiegen sind. Waldbrände sind aber auch eine wichtige Quelle zahlreicher Treibhausgase und Aerosole, welche wiederum das Klima erheblich mitbeeinflussen, indem sie den Energiehaushalt der Erde durch Streuung und Absorption der Strahlung verändern oder als Wolkenkondensationskerne wirken. Das Wissen um großräumige Waldbrände in der Vergangenheit ist damit auch ein wichtiger Baustein um das Klimasystem der Erde als Ganzes zu verstehen. 

Fazit

Ändert sich das Klima, sind die Auswirkungen in vielen Aspekten der Natur zu sehen, unter anderem in der Vegetation und in der Häufigkeit von Extremphänomenen und Naturkatastrophen. Solche Veränderungen hinterlassen chemisch nachweisbare Spuren in Tropfsteinen und anderen Klimaarchiven. Entschlüsseln wir die Hinweise aus der Vergangenheit, können wir das heutige Klima besser verstehen und Vorhersagen für die Zukunft präzisieren.

Autor:innen: Anja Beschnitt, Julia Homann, Thorsten Hoffmann     
Department Chemie, Analytische Chemie, Johannes Gutenberg Universität Mainz

Literatur:

1

Scholz, D. und Hoffmann, D.: Quaternary Science Journal 57, 52-76, 2008 DOI: 10.3285/eg.57.1-2.3

2

Jex, C. et. al: Quaternary Science Rev. 87, 46-59, 2014 DOI: 10.1016/j.quascirev.2013.12.028

3

Heidke I., et al: Biogeosciences 15, 5831-5845, 2018 DOI: 10.5194/bg-15-5831-20

Dieser Beitrag wurde auf FaszinationChemie erstmalig veröffentlicht am 22.09.2021

Kommentare

  • Jüngel
    am 29.09.2021
    Der Artikel beschreibt eindrucksvoll die heutigen Möglichkeiten, lange Zeit zurückliegende Klimaänderungen analytisch zu erfassen. Insbesondere chromatische Verfahren dürften sich dafür anbieten. - Es ist bedeutsam, durch vereinfachte Beschreibung von Analyseverfahren auch Nichtfachleute zu informieren und ihnen dadurch Argumentationshilfe zur Verfügung zu stellen.

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