Wie klimafreundlich sind Elektroautos?

 

Wie klimafreundlich sind Elektroautos?

Von welchen Faktoren hängt es ab, ob ein Elektroauto klimafreundlich ist? Welchen Einfluss hat die Produktion der Batterie und welchen Einfluss hat die eigentliche Nutzung eines batteriebetriebenen Fahrzeugs? Was hat eine schnelle Ladedauer mit der Sicherheit eines Elektroautos zu tun? Der nachfolgende Beitrag von Prof. Gerhard Kreysa gibt einen Überblick über den aktuellen Stand.
 

Elektromobilität ist nicht gleich Batteriemobilität

Es beginnt mit der Sprache. Nur im Deutschen gibt es die Sprachverwirrung: Elektromobilität gleich Batteriemobilität. (Denn auch ein mit einer Brennstoffzelle angetriebenes Auto ist ein Elektroauto, denn es fährt ebenfalls mit Strom). Weil dies jeder wissenschaftlich-technischen Evidenz widerspricht, möchte ich Spekulationen über Ursprung, Hintergrund und Absicht dieser Sprachregelung den Leserinnen und Lesern überlassen. Noch gravierender ist der zunehmende Seriositätsmangel von Informationen im Internet. Laut dem Wissenschaftsverlag Elsevier handelt es sich inzwischen bei 2/3 aller Fachzeitschriften um sogenannte Raubjournale, die Autorenbeiträge gegen Entgelt ohne Begutachtung veröffentlichen. Bei Klimaschutz und Energiewende gibt es in den Medien – print und online –immer noch eine große Zahl von Verharmlosern, Verzögerern und Verhinderern [1]. Wenden wir uns konkreten Beispielen zu.

Welche Faktoren beeinflussen die Nachhaltigkeit eines Elektroautos?

Wie umweltfreundlich die Nutzung eines Produktes, z. B. eines Autos ist, hängt nicht nur davon ab, wie viele Ressourcen es im laufenden Betrieb verbraucht, sondern auch, wie viele Ressourcen seine Herstellung und seine Entsorgung kosten. Ein Maß dafür ist die Menge des entstehenden Kohlendioxids (CO2). Diese Menge wird auch als „CO2-Rucksack“ bezeichnet.

Faktor 1: Strom für die Herstellung der Batterie

2017 veröffentlichte das IVL Swedish Environmental Research Institute eine Studie, die 2019 korrigiert wurde [2], über den CO2-Rucksack der Produktion von Lithium-Ionen-Batterien. Wie zu erwarten, kamen beide Studien zu dem Schluss, dass der Klimaschutznutzen eines Batterieautos dann am größten ist, wenn die Batterie möglichst nur mit Ökostrom (z.B. in Schweden: 7 kg CO2/kWh Batterie) und nicht mit Kohlestrom (z.B. in China: 159 kg CO2/kWh Batterie) produziert wird.

Autoren, die Elektroautos kritisch gegenüberstehen, haben die Daten der ersten Studie benutzt um auszurechnen, dass ein Batterieauto etwa 200.000 km fahren muss, bevor der akkumulierte CO2-Ausstoß geringer ist als bei einem konventionellen Verbrennerauto (s. dazu Berechnung unten). Eine solche Rechnung, die auch in verschiedenen Studien u.a. im Auftrag des ADAC verifiziert wurde, ist zunächst verdienstvoll, denn sie belegt, wie dringlich die nachhaltige Batterieproduktion ist. Aber statt daraus den einzig vernünftigen Schluss zu ziehen, dass man in ein Elektroauto keine Batterie mit großem CO2-Rucksack verbauen darf, wurde diese „Ökobilanz“ von einigen Autoren zu einem Argument gegen die Elektromobilität insgesamt umgedeutet.

Dazu kam, dass der CO2-Rucksack des Verbrennungsmotors in der Regel unterschlagen wurde [3]. Besonders peinlich wird es, wenn solche Fehlschlüsse auch von ansonsten namhaften Ökonomen unkritisch übernommen werden, um die Sinnhaftigkeit von E-Autos generell infrage zu stellen [4,5].

Inzwischen ist es aber die Autoindustrie selbst, die solchen Fehlinterpretationen den Boden entzieht, indem sie sich zur ökologischen Vernunft bekennt. Tesla beabsichtigt, seine brandenburgische Gigafactory zur Batteriefertigung durch eigene Windkraftanlagen mit Ökostrom zu betreiben. VW möchte sich neben einer Zusammenarbeit mit der schwedischen Firma Northvolt mit sechs neuen europäischen Batteriefabriken eine Führungsrolle erarbeiten und diese mit Strom aus erneuerbaren Energien betreiben [6]. Auch BMW hat angekündigt, seinen Batteriebedarf durch Kooperation mit einem schwedischen Partner zu decken, der durch Verwendung von Ökostrom Batterien ohne CO2-Rucksack fertigt. Derzeit sind in Europa 22 Gigafactories für Batteriezellen in Planung, von denen rund die Hälfte in Deutschland entstehen wird [7].

Faktor 2: Strom zum Fahren eines Elektroautos

Der zweite Faktor, der die CO2-neutrale Äquivalenzstrecke beeinflusst, ist die Art des zum Fahren verwendeten Stromes, denn im deutschen Strommix ist die kWhel mit einem Ausstoß von 400 g CO2 belastet [8]. Bei einem Strombedarf von 15 kWh/100 km (z.B. Renault ZE 50) entspricht das einem Ausstoß von 69 g CO2/km, was bereits jedem fossilen Antrieb überlegen ist. Wird ein Batterieauto mit einer CO2-freien Batterie z.B. mit Solarstrom betrieben, dann ist sein CO2-Ausstoß vom ersten Tag an geringer als der jedes fossilen Autos. 40 m2 Photovoltaik auf dem Dach genügen, um mit einem vernünftigen E-Auto (abgeregelt bei 130 km/h und weniger als 150 PS) 25.000 km im Jahr fahren zu können [3]. Für weniger als 2% Mehrkosten bietet heute fast jeder Stromversorger einen 100 % Ökostromtarif an.

Reinhard Zellner [8, auf dieser Webseite] weist mit Recht darauf hin, dass ein geänderter Stromtarif die Eigenschaft des Stromes aus der Steckdose nicht verändert. Das ist richtig, aber die steigende Nachfrage nach Ökostrom-Tarifen würde einen marktwirtschaftlichen und politischen Druck zur schnelleren Defossilierung unserer Stromproduktion erzeugen. 

Die aus dem CO2-Rucksack der Batterie und der Art des Fahrstromes resultierenden Äquivalenzstrecken für gleichen akkumulierten CO2-Ausstoß sind in der folgenden Tabelle beispielhaft zusammengestellt. Man erkennt, dass der Einfluss der Batterieherstellung deutlich höher ist als der des Fahrstromes.

Links stehen die verwendeten Daten, oben der CO2-Rucksack der Batterie für die Beispiele Schweden und China, darunter die Emissionen pro km Fahrt. Rechts stehen die berechneten Äquivalenzstrecken jeweils für die zwei Varianten der Batterie und des Fahrstromes (also Ökostrom oder handelsüblicher Strommix). Äquivalenzstrecken von über 100.000 km ergeben sich nur, wenn man einen 428 PS Tesla mit einem kleinen Diesel von 5 Liter-Verbrauch vergleicht, was in der Literatur leider vorkommt [5]. Ein fairer Vergleich z.B. mit einem Phaeton fällt weniger spektakulär aus.

Einige Beispiele, wie die Tabelle zu lesen ist: 

  • Ein Tesla, dessen Batterie mit Ökostrom in Schweden produziert wurde und der mit Ökostrom (Wind) fährt, ist nach 4167 km umweltfreundlicher als ein 5-Liter Diesel, d.h., sein CO2-Rucksack ist ab 4167 km geringer als der des 5-Liter-Diesels.
  • Ein Tesla, dessen Batterie mit Kohlestrom in China produziert wurde und der mit einem in Frankfurt am Main üblichen Strommix aus Kohle- und Ökostrom fährt, ist erst nach 271.023 km umweltfreundlicher als ein 5-Liter Diesel, d.h., sein CO2-Rucksack ist ab 271.023 km geringer als der des 5-Liter-Diesels.
  • Der Tesla, dessen Batterie mit Ökostrom in Schweden produziert wurde und der mit Ökostrom (Wind) fährt, ist nach 1577 km umweltfreundlicher als ein Phaeton und wenn er mit normalem Strommix fährt, nach 2092 km.
  • Der Tesla, dessen Batterie mit Kohlestrom in China produziert wurde, ist erst nach 35811 bzw. 47510 km umweltfreundlicher als ein Phaeton.

Automobilhersteller reagieren

Auf eine weitere von Zellner beschriebene Tatsache sei hingewiesen [8]: „Für Batteriefahrzeuge und Hybride hat sich die europäische Autoindustrie ein Geschenk der EU-Kommission gesichert: Alle Fahrzeuge, die teilweise oder vollständig elektrisch betrieben werden, gelten als frei von CO2-Emissionen, auch wenn die Stromerzeugung nicht CO2-frei ist.“ Dieser Missstand sollte schleunigst korrigiert werden.

In letzter Zeit haben viele Länder und auch Autofirmen dem fossilen, also konventionellen Verbrennungsmotor ein Verfalldatum aufgedruckt (N 2025, CH, DK, IRL, NL und SLO 2030; GB 2035; F und E 2040 [9]). Ford hat seinen fossilen Ausstieg für 2030 angekündigt, Daimler für 2039, rechnet aber mit einer deutlich früheren Realisierung [10]. Auch Deutschland sollte sich bald auf einen frühen Termin verbindlich festlegen, um den „Green Deal“ der EU beherzt zu unterstützen. Die oft etwas heuchlerisch beschworene „Technologieoffenheit“ [1] darf also nicht länger die fossile Mobilität einschließen, sondern muss sich auf alle Komponenten eines technologischen Mix beziehen, der eine CO2-freie Mobilität optimal ermöglicht.

Ist das bisher Gesagte schon weitgehend in Beton gegossen, so sind für die Zukunft der Batterie und auch der Brennstoffzelle noch viele spannende Optionen offen, deren vollständige Behandlung den Rahmen dieses Beitrages sprengen würde. Deshalb soll hier nur noch das Ladeverhalten der Batterien betrachtet werden, weil gerade auf diesem Gebiet großspurige Verlautbarungen von CEOs und Startups einen starken Kontrast zu gesicherter wissenschaftlicher Evidenz bilden. 

Faktor 3: Ladezeiten der Batterie

Derzeit ist es das Ziel der meisten Autofirmen, die Batterie mit Blick auf Energiedichte und damit Reichweite sowie auf Schnellladung so zu ertüchtigen, dass der Batterieantrieb auch im Pkw langstreckentauglich wird. Eine Alternative wäre eine sinnvolle Symbiose zwischen Batterie und Brennstoffzelle, etwa in einem Hybrid aus beiden Komponenten, wie sie in einem Projekt bei Umicor in Hanau untersucht wurde [11, 12].

Zunächst sind verschieden Ladeleistungen zu unterscheiden:

  • bis 7 kW Standardladung,
  • 7 – 24 kW beschleunigte Ladung,
  • > 24 kW Schnellladung.

Grundsätzlich gibt es bisher keine technisch erprobte Batterie, die unter häufiger Schnellladung nicht im Hinblick auf Haltbarkeit und Sicherheit beeinträchtigt würde [13]. Ein besonderes Problem stellt die ohmsche Verlustwärme dar, die wegen R*I2 mit dem Quadrat der Stromstärke steigt, was eine zuverlässige Temperaturkontrolle und Kühlung erfordert. Eine Schnellladung reduziert wegen dieser Verluste auch den Wirkungsgrad, was sich allerdings nur linear mit der Stromstärke auswirkt. Ein optimales „Wohlbefinden“ der Batterie erzielt man durch folgende Maßnahmen:

  • Vermeidung voller Entladung und Aufladung,
  • Shutteln der Batterieladung zwischen 20 und 80 % (impliziert Verzicht auf 40 % der möglichen Reichweite)
  • Laden mit möglichst niedriger Leistung bzw. Stromstärke (impliziert lange Ladezeiten)

Die Vermeidung allzu hoher Stromstärken hat in letzter Zeit bei einigen Herstellern zu einer Umstellung der bisherigen 400V-Technologie auf eine neue 800V-Technologie geführt. Angekündigte Automodelle sollen Ladeleistungen von 133 KW (KIA) oder gar 260 kW (Daimler) ermöglichen. 

In kürzlich veröffentlichten Berechnungen wurde sogar behauptet, mit einer Feststoffbatterie könne man bald den Energiebedarf für 1.000 Fahrkilometer in 10 min nachladen [14], was eine Ladeleistung von 1200 kW erfordern würde. Andere Experten betonen, dass solche Aussagen nicht wissenschaftlich bewiesen werden können und im Wesentlichen auf Pressemitteilungen einiger Startups beruhen, mit denen sie Ihren Börsenwert in die Höhe treiben wollen, was ihnen seltsamerweise in der Regel sogar gelingt [15].

In einem realen Projekt des Forschungszentrums Jülich mit der Universität Münster [16, 17] ist es in der Tat gelungen, eine Feststoffbatterie zu entwickeln, deren Energiedichte doppelt so hoch ist wie die einer normalen Li-Ionen-Batterie. Allerdings wurde dieser Fortschritt mit einer deutlichen Verlängerung der Ladezeit erkauft.

Sicherheit nicht vernachlässigen

Gelegentliche Meldungen über durchgegangene Batterien sorgen für Verunsicherung. Systematische Untersuchungen, ob solche Unfälle auch durch allzu intensive Schnellladungen verursacht werden, liegen noch nicht vor. Die BAM stellt klar [18], dass derzeit von E-Autos keine größeren Risiken ausgehen als von fossilen Autos. Dennoch wird dort das thermische Durchgehen zur weiteren Verbesserung der Sicherheit und verlässlicher Normen intensiv untersucht. Als Ursachen gelten mechanische Beschädigungen (Unfall) und Überhitzen (zu schnelles Fahren und Laden). Es ist gut vorstellbar, dass Aspekte der Sicherheit allzu hochfliegende Träume von einer Superbatterie platzen lassen. Dann wird die Zukunft der Elektromobilität in einem vernünftigen Zusammenspiel von Batterie und Brennstoffzelle liegen.

"Wenn möglich bitte wenden"

Video (19 min) von Prof. Gerhard Kreysa, das sich mit dem aktuellen Stand von Wasserstoff-Brennstoffzellenautos befasst. Der Beitrag wurde im Dezember 2018 in der Mediathek Hessen veröffentlicht.

Prof. Dr. Gerhard Kreysa

Der Autor Gerhard Kreysa, Geschäftsführer a.D. der DECHEMA, lehrte als apl. Professor und Honorarprofessor Technische Elektrochemie an den Universitäten Dortmund und Regensburg. Bis 2009 war er Geschäftsführer der DECHEMA Deutsche Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie. Er ist u.a. Ehrenmitglied der European Federation of Chemical Engineering, auswärtiges Mitglied der Königlich-Schwedischen Akademie für Ingenieurwissenschaften, Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften und Träger des Sächsischen Verdienstordens.

Redaktionelle Bearbeitung: Karin J. Schmitz, GDCh

Literatur

[1] S. Götze, A. Joeres: Die Klimaschmutzlobby; Piper Verlag, München 2020

[2] www.ivl.se/download/18.34244ba71728fcb3f3faf9/1591706083170/C444.pdf

[3] G. Kreysa: Elektromobilität – unterwegs im Dschungel aus Fakes und Fakten; Physikalischer Verein, Frankfurt am Main, 8. Mai 2019

[4] SEC-Symposium zur Energiewende; DECHEMA-Haus, Frankfurt am Main, 30. Oktober 2019

[5] H.-W. Sinn: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.1.2020, S. 16

[6] Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16.3.2021, S. 17

[7] Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 1.3.2021

[8] R. Zellner; Nachrichten aus der Chemie, 67, 26 – 31, (5)2019; s.a. diese Internetseite 

[9] www.auto-motor-und-sport.de/verkehr/verbrenner-aus-immer-mehr-verbote-zukunft-elektroauto

[10] Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 11.4.2021, S. 26

[11] R. Zuber: persönliche Mitteilung

[12] G. Kreysa: Film: Wenn möglich bitte wenden; Mediathek Hessen (s.oben)

[13] R. Holze, Y. Wu: Chem. Unserer Zeit 54, 180 – 187, (3)2020

[14] F. Dudenhöffer: Nachrichten aus der Chemie, 69, 9, (2)2021

[15] M. Fichtner: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 1.3.2021, S. 18

[16] S. Yu, S. Schmohl, Z. Liu, M. Hoffmeyer, N. Schön, F. Hausen, H. Tempel, H. Kungl, Hans–D. Wiemhöfer and Rüdiger–A. Eichel: J. Mater. Chem. A, 2019, Advance Article, DOI: 10.1039/C8TA11259B

[17] www.fz-juelich.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/UK/DE/2019/2019-02-26-hybridelektrolyt.html

[18] www.bam.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Energie/artikel-lithium-ionen-akkus.html

Titelfoto: andrea lemkuhl/stock.adobe.com

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