Wie kann Diagnostik zur Kontrolle der Antibiotika-Resistenzentwicklung beitragen? 

 

Folge 10: Aktuelle Chemie 2019 – Medizin und Gesundheit

Die Zahl der Keime, die gegen Antibiotika resistent sind, steigt. Ein wichtiger Schlüssel zur gezielten Therapie ist die labormedizinische Diagnostik.

In der Europäischen Union infizieren sich jährlich 700 000 Menschen mit multiresistenten Erregern, 33 000 von ihnen sterben [1]. Ein resistenter Keim ist ein Bakterium, das gegen ein oder mehrere Antibiotika keine Empfindlichkeit aufweist. Bis vor wenigen Jahren war der wohl bekannteste unter den multiresistenten Erregern der methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA). Inzwischen spielen gramnegative multiresistente Infektionserreger eine wesentlich bedeutendere Rolle.

Wie kommt es zu Antibiotikaresistenzen?

Antibiotikaresistenzen entwickeln sich vorwiegend außerhalb von Kliniken. Ein Ursprung ist die Viehzucht, die Antibiotika in großen Mengen prophylaktisch einsetzt. Durch Rückstände im Abwasser und in der Umwelt nimmt der Mensch Antibiotikareste zu sich, gegen welche Bakterien in seinem Körper nach und nach Resistenzen entwickeln. Dadurch tragen viele Menschen resistente Keime in sich, werden jedoch nicht krank. Erst wenn das Immunsystem geschwächt ist oder eine Operation durchgeführt wird, kann sich der Erreger ausbreiten. 

Um welchen Keim handelt es sich?

Ist ein Patient infiziert, klärt der Arzt oder die Ärztin zunächst ab, ob tatsächlich eine Infektion oder nur eine Besiedelung vorliegt. Bei einer Infektion, ob diese bakteriell oder viral ist. Um den Keim zu erkennen, erhält das Labor eine Probe. Eine Urinprobe bei Harnwegsinfekten, ein Hautabstrich bei Nagelbettentzündungen durch Staphylococcus aureus oder ein Rachenabstrich bei Scharlach durch Streptococcus pyogenes. Zunächst züchtet das Labor den Erreger über 24 Stunden auf Agarplatten. So können Bakterien an ihrer Form unterschieden werden. Staphylococcus aureus gehört zu den Kokken, die kugelförmig sind. E. coli ist ein stäbchenförmiges Bakterium und zählt zu den Stäbchen. Auch die Zellwand der Bakterien ist verschieden, das im Labor mit der Gramfärbung sichtbar gemacht wird. Demnach ist E. coli ein gramnegatives Bakterium. Das bedeutet, es besitzt eine dünne Schicht Murein, einem Gerüst aus Ketten von Polysacchariden und Peptiden. Grampositive Bakterien wie Staphylococcus aureus haben eine dicke Mureinschicht. Je nach Art des Bakteriums wirkt eine bestimmte Klasse von Antibiotika. Penicilline, β-Lactam-Antibiotika, unterdrücken das Wachstum von grampositiven Bakterien. Gegen gramnegative Bakterien wirkt Aminopenicillin.

Liegt ein resistenter Keim vor?

Im Fall einer bakteriellen Infektion ist es für die Therapie mit Antibiotika wichtig, ob ein Bakterium resistent ist oder nicht. Dies finden Labore üblicherweise mit der Mikrodilutionsmethode heraus. Dieser Test bestimmt die minimale Hemmkonzentration (MHK), die Konzentration, bei der das Antibiotikum das Bakterienwachstum gerade noch vollständig unterbindet. Während der Analyse entsteht ein Antibiogramm, das den Erreger als sensibel, intermediär oder resistent einstuft. Die bestimmte MHK wird mit Grenzwerten, Breakpoints genannt, verglichen, welche für jedes Antibiotikum und jeden Keim spezifisch sind. Für den Mikrodilutionstest wird der Keim in einer definierten Konzentration zu den Antibiotika als Verdünnungsreihe gegeben. Bei dieser Methode kann das Labor mehrere Antibiotika gleichzeitig testen, indem es für jedes Antibiotikum eine eigene Verdünnungsreihe erstellt. In der Reihe nimmt die Konzentration des Antibiotikums zu, die das Labor in der Regel bei 37 °C züchtet. Kryophile Bakterien oder Pilze werden bei niedrigeren Temperaturen bebrütet. Vermehrt sich das Bakterium, trübt sich die Lösung. Diese Trübung bestimmt das Labor photometrisch. Das Photometer misst die Extinktion, das heißt die Lichtdurchlässigkeit, der Probe bei einer bestimmten Wellenlänge. Bei dieser absorbiert jede Probe das Licht unterschiedlich stark. Daraus lässt sich die Konzentration des Bakteriums berechnen. Ist die Lösung klar, so hat das Antibiotikum das Bakterienwachstum unterdrückt. Die höchste Konzentration, bei welcher die Lösung noch klar ist, stellt die MHK dar. Ist das Bakterium gegen ein bestimmtes Antibiotikum resistent, wirkt im besten Fall ein anderes. Einige Keime weisen jedoch gegen mehr als ein Antibiotikum keine Empfindlichkeit auf.

Weitere Verfahren

Manche Labore setzen zusätzlich instrumentelle Verfahren ein. Die matrix-assistierte Laser-Desorption-Ionisierung (MALDI)-Massenspektrometrie mit Flugzeitanalyse (time of flight, TOF) bestimmt die Art des Bakteriums, nur mit speziellen Verfahren für sehr wenige Erreger auch Resistenzen. Somit dient es in erster Linie dem schellen Screening, um Bakterien in Proben zu identifizieren. Bei MALDI ionisiert ein Laserstrahl die Probe. Der Flugzeitanalysator misst das Verhältnis von Masse zu Ladung der Ionen, die je nach Größe dieses Verhältnisses unterschiedliche Flugbahnen zurücklegen. Treffen die Ionen am Ende auf den Detektor, den Sekundärelektronenvervielfacher, wandelt dieser die Ionen in ein elektrisches Signal um. Daraus ergibt sich ein Muster, das für jedes Bakterium spezifisch ist. 

Die Rolle der Diagnostik

Die Labordaten zu Resistenzen sammelt das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC), mit Sitz in Solna, Schweden.

„Ohne die Diagnostik gäbe es keine gezielte Therapie von Infektionserkrankungen von Patienten und ebenso wenig zuverlässige Statistiken über die Entwicklung von Resistenzen“, sagt Prof. Dr. med. Mariam Klouche, Geschäftsführerin und ärztliche Leiterin des LADR Laborzentrums Bremen. Demnach bildet Diagnostik die Basis, um Antibiotikaresistenzen zu kontrollieren. „Die Diagnostik ist sehr innovativ und kann sich schnell anpassen. Problem sind die Therapie und die Entwicklung wirklich neuer Antibiotikaklassen, die begrenzt sind“, betont Professorin Klouche.

Mit Labortests, die virale und bakterielle Erreger schneller identifizieren, könnten Ärzte Antibiotika künftig gezielter einsetzen. Professorin Klouche wünscht sich für die Zukunft außerdem bessere Schnelltests für Umweltanalysen, um potenzielle Gefahren bei Nutztieren und der Umwelt frühzeitig erkennen zu können.

Wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. med. Mariam Klouche (Geschäftsführerin und ärztliche Leiterin LADR Laborzentrum Bremen)

Lisa Süssmuth

freie Wissenschaftsjournalistin

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