Trotz Corona: Saubere Luft in Klassenräumen
Die Coronapandemie hält uns seit fast zwei Jahren in Atem. Besonders betroffen sind Schulkinder und Lehrkräfte, die in Klassenräumen über Stunden zusammensitzen und trotz vorgeschriebenem Mundschutz und Abstand immer der Gefahr einer Infektion ausgesetzt sind. Denn Covid-19 wird wie andere Infektionskrankheiten auf dem Luftweg übertragen. Beim Atmen, Sprechen, Niesen und Husten werden kleine, mit Keimen belastete Tröpfchen oder Partikel an die Umgebungsluft abgegeben. Größere Tröpfchen haben nur eine geringe Reichweite, winzige Tröpfchen können sich als Aerosole jedoch im ganzen Raum verteilen und die Raumluft mit Infektionskeimen anreichern, wenn nicht gegengesteuert wird.
Da es auch zu Beginn des neuen Jahres keine einheitlichen Vorschriften in den Bundesländern gibt, muss jede Schule bzw. jeder Schulträger selbst dafür sorgen, die Aerosolübertragung und damit die Ansteckungsgefahr soweit wie möglich zu minimieren. Neben dem Tragen von Mund-Nasen-Masken, Abstand halten und Handhygiene können weitere Maßnahmen zur Infektionsverringerung in den Klassenräumen sorgen.
Das reicht vom einfachen Fensterlüften über Ventilations-unterstütztes Fensterlüften bis zum Einsatz von mobilen Luftfiltergeräten oder fest installierten Ultraviolett-Luftreinigern, die durch UV-Licht Coronaviren abtöten. Das Umweltbundesamt empfiehlt – wo möglich – das Lüften als erste Maßnahme. Allerdings garantiert eine einfache, regelmäßige Fensterlüftung noch keinen sicheren, homogenen Luftaustausch. Die Luftaustauschrate ist zudem abhängig von der Lage und den Wetterverhältnissen [1].
Empfehlung für Ventilator-Fensterlüftungssysteme
Aerosolforscher, Mediziner und Gebäudetechniker vom Max-Planck-Institut für Chemie (MPIC) in Mainz, vom Universitätsklinikum und Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, von der Charité-Universitätsmedizin Berlin und vom Institut für Bauphysik, Gebäudetechnik und Hochbau der Technischen Universität Graz empfehlen in einer gemeinsamen Stellungnahme, möglichst viele Klassenräume mit Ventilator-Fensterlüftungssystemen auszustatten. Umfangreiche experimentelle Untersuchungen, Messdaten, Modellrechnungen und viele praktische Anwendungsbeispiele an Schulen zeigten aus ihrer Sicht, dass Fensterlüften unterstützt durch Abluftventilatoren eine einfache, aber sehr wirksame Infektionsschutzmaßnahme gegen die Aerosolübertragung von COVID-19 sei.
Unabhängig von der aktuellen Coronapandemie können Ventilator-Fensterlüftungssysteme helfen, die Luftqualität in Klassenräumen hoch zu halten und der Ausbreitung von Erkältungskrankheiten und Grippewellen entgegen zu wirken, heißt es im Statement [2]. Im Unterschied zu mobilen Luftreinigern verringern Ventilator-Fensterlüftungssysteme durch kontinuierliche Frischluftzufuhr auch die Belastung der Raumluft mit Kohlendioxid CO2, das im menschlichen Atem zusammen mit potentiell infektiösen Tröpfchen bzw. Aerosolen freigesetzt wird. „Durch frische Außenluft werden nicht nur verbrauchte Luft und CO2, sondern auch Atemluftaerosole mit sehr hoher Effizienz aus der Innenraumluft verdrängt. Potentiell vorhandene Viren werden in der Außenluft bzw. in Atmosphäre ebenfalls stark verdünnt und inaktiviert“, erläutert Prof. Ulrich Pöschl, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Er ist einer der Initiatoren und Unterzeichner des gemeinsamen Statements.
In der oftmals „zum Schneiden dicken Luft“ in den Klassenräumen stecken neben Kohlendioxid und eventuellen Viren auch verschiedene flüchtige organische Verbindungen (VOC; Volatile Organic Compounds), die durch Lüften ebenfalls effektiv verringert werden. In der Atemluft sind rund 4% CO2 enthalten (40.000 ppm), und damit das 100-fache des normalen Anteils in der Außenluft. Daher ist CO2 ein guter und durch Sensoren oder CO2-Ampeln gut messbarer Indikator für die Aerosolbelastung in der Raumluft und die Luftqualität.
Kombination von Lüften und Abluftfilter erhöht den Luftaustausch
„In einer aktuellen Vergleichsstudie konnten wir anhand von Experimenten, Messdaten und Modellrechnungen zeigen, dass das Fensterlüften mit einem einfachen Abluftventilator ähnlich wirksam ist wie diverse Luftfilter- und Desinfektionsgeräte. Wenn der Abluftventilator mit passenden und einfach herzustellenden Rohrleitungen und Abzugshauben kombiniert wird, ist das Fensterlüften sogar noch deutlich wirksamer“, erläutert Ulrich Pöschl. Zusätzlich erhöht das Fensterlüften mit Abluftventilator die allgemeine Luftqualität im Raum, was bei Filtergeräten nicht der Fall ist, da es sich um Umluftgeräte handelt (Abbildung 1).
Allerdings lassen sich nicht alle Klassenräume gut lüften. Bei hohem Straßen- und Verkehrslärm oder hoher Schadstoffbelastung der Außenluft kann es nach Meinung der Expertenrunde durchaus sinnvoll sein, das Fensterlüften bzw. die Frischluftzufuhr durch den Einsatz von mobilen Luftfiltergeräten zu ergänzen. Wenig begeistert zeigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Einsatz mobiler UV-C-Luftreiniger, da aus ihrer Sicht noch unklar sei, welche Art von reaktiven Spurenstoffen in der Gasphase und an der Oberfläche von Aerosolpartikeln sowie der VOC durch die UV-C-Strahlung gebildet bzw. freigesetzt werden können, und ob sich daraus negative Konsequenzen für Luftqualität und Gesundheit ergeben. „Die Bestrahlung mit UV-C führt unvermeidlich zu unnatürlich starken luftchemischen Umsetzungen im Innenraum, wobei es zur Bildung von Radikalen, sekundären Aerosolen und sonstigen Nebenprodukten kommen kann. Ich halte es daher aus wissenschaftlicher Sichtweise für zu früh, diese Technologien einzusetzen, bevor naheliegende Nebenwirkungen geklärt sind und die gesundheitliche Unbedenklichkeit bestätigt ist“, argumentiert Ulrich Pöschl und ergänzt. „Dies gilt umso mehr, als mit Luftfiltergeräten wirksame und seit langem erfolgreich für die Luftreinigung eingesetzte Alternativen verfügbar sind.“
Viren photochemisch mit UV-Strahlen bekämpfen
Während sich die Expertengruppe gegen den Einsatz von UV-Geräten ausspricht, sieht das der Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie, ZVEI e.V. (Fachverband Licht) anders. Schon lange ist die entkeimende und desinfizierende Wirkung von UV-Strahlen bekannt. Seit vielen Jahren wird das Verfahren der UV-C-Entkeimung bereits in der Lebensmittelproduktion, Wasseraufbereitung (als Alternative zur Chlorierung) und im Gesundheitswesen (z.B. in Krankenhäusern, Laboren) eingesetzt. „Die geeignetste Variante der Fensterlüftung ist die Schaffung eines Luftdurchzugs. Dies ist oft nicht möglich, da Schulräume meist nur mit Fenstern an einer Raumseite ausgestattet sind. Unter diesen Voraussetzungen stellen Luftentkeimungsgeräte, die die Raumluft stetig reinigen und Krankheitskeime zuverlässig abtöten, eine etablierte und flexible Lösung dar, die leicht und schnell in bestehende Räumlichkeiten integriert werden kann“, ist hierzu in einer Informationsschrift der ZVEI zu lesen [4].
Bei der UV-C-Entkeimung wird die Raumluft an der UV-C-Strahlungsquelle entlanggeführt, darin enthaltene Keime werden inaktiviert und so unschädlich gemacht. Nach diesem Vorgang wird die entkeimte Luft wieder in den Raum zurückgeführt. UV-C-Luftreiniger etwa von Heraeus Noblelight sind bereits in zahlreichen Klassenräumen fester Bestandteil im Kampf gegen Corona.
Luftreinigung mit UV-C ist klassische Photochemie. Ultraviolettes (UV) Licht ist elektromagnetische Strahlung im Wellenlängenbereich von 100 bis 380 Nanometer (nm). Da die Wellenlängen des UV-Lichts kürzer als die Wellenlängen des sichtbaren violetten Lichts sind, sind sie für das menschliche Auge unsichtbar. Der UV-Bereich wird in die drei Klassen UV-A, UV-B und UV-C unterteilt, die jeweils unterschiedliche biologische Wirkungen und technologische Anwendungsbereiche haben. Der kurzwellige Bereich von 200 bis 280 nm wird als UV-C bezeichnet. UV-C-Licht der Wellenlänge von etwa 254 nm zerstören dabei Viren und deren Mutationen (Abbildung 2). Viren wie SARS-CoV-2 haben nur eine dünne Lipid-Schicht, die vom UVC-Licht leicht durchdrungen wird. Die Photonen erreichen die Erbinformation der Viren, die RNA, und sorgen dafür, dass dort so genannte Dimere gebildet werden. Dimere in der Erbinformation machen eine Vervielfältigung der Keime unmöglich und damit sind beispielsweise Corona-Viren nicht mehr infektiös. Die Inaktivierung von SARS-CoV-2 in Klassenräumen durch UV-C-Strahlung belegen laut Hersteller Heraeus verschiedene wissenschaftliche Studien [5]. So wies etwa das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP in einem Test mit einem nachgebauten Klassenzimmer eine Virenreduktion von über 99 % nach.
Für welche Methode oder Technologie sich Schulen oder Schulträger am Ende entscheiden: Weder Lüften, Luftfilter oder Luftentkeimung sind ein Ersatz für weitere Infektionsschutzmaßnahmen. Der Kampf gegen das Coronavirus sollte also nach Möglichkeit immer mit anderen Maßnahmen kombiniert werden, wie Impfen, Testen, Abstand halten, Handhygiene und vor allem FFP2 / FFP3-Gesichtsmasken. Die Kombination ist entscheidend – speziell im Hinblick auf die neue Coronavirus-Variante Omikron. Darauf verweist das MPIC nochmals in einer Ende 2021 veröffentlichen Stellungnahme über aktuelle Empfehlungen für die lufthygienische Infektionsprophylaxe in Schulen während der COVID-19-Pandemie [6].
Quellen
[1] Lüftung, Lüftungsanlagen und mobile Luftreiniger an Schulen, Umweltbundesamt, 09.07.2021
[2] Ventilator-Fensterlüften gegen COVID-19 und für gute Luft in Schulklassen Max-Planck-Institut für Chemie (mpic.de).
[3] Helleis et al. 2021, DOI 10.5281/zenodo.5070421
[4] ZVEI Informationsschrift: UV-C-Luftentkeimung in Schulen und Bildungseinrichtungen
[5] Heraeus: Studien zur Inaktivierung von SARS-CoV-2 mit UV Licht
[6] Aktuelle Empfehlungen für die lufthygienische Infektionsprophylaxe in Schulen während der COVID-19-Pandemie, Max-Planck-Institut für Chemie (mpic.de), 14. Dezember 2021:
Kommentare
uwe hauptschueler
am 11.01.2022Außenluft enthält nach Wikipedia 400ppm CO₂. Das wäre ein Hundertstel.
kjs (Redaktion)
am 12.01.2022Moritz
am 06.03.2023kjs (Redaktion)
am 06.03.2023