Schutz von Mensch und Tier: Lebensmittelanalytik

 

Die Aufgaben der Lebensmittelanalytik sind heute vielfältiger denn je. Neben der Überwachung der Lebensmittelsicherheit steht die Qualitätskontrolle von Lebensmitteln und deren Echtheit im Fokus (s. Überblick am Ende dieses Beitrags). Denn gefälschte oder falsch deklarierte Lebensmittel, wie etwa Olivenöl, kommen relativ häufig vor.

Werden gefälschte Lebensmittel als authentisch in Verkehr gebracht, handelt es sich um Lebensmittelbetrug. Das Problem dabei: Betrug bei den Inhaltsstoffangaben von Lebensmitteln kann nicht nur wirtschaftliche Schäden anrichten, sondern auch zu gesundheitlichen Risiken führen. In Verbindung mit immer raffinierteren Täuschungen, aber auch minimalsten Verunreinigungen sind zunehmend verlässliche chemische Analysenverfahren und Screening-Methoden in der Lebensmittelanalytik erforderlich. Anforderungen an solche Verfahren sind eine ausreichende Sensitivität, Spezifität, Automatisierbarkeit, Robustheit und Effizienz.

Methode der Wahl: Kernspinresonanz

Aufgrund des hohen Probendurchsatzes mit vergleichsweise geringem Aufwand für die Probenaufarbeitung erfüllt die Kernspinresonanz (Nuclear Magnetic Resonance, NMR)-Spektroskopie alle Anforderungen dafür. Daher findet diese Technik in der Lebensmittelüberwachung immer mehr Beachtung. [1]

Die NMR-Spektroskopie ermöglicht die Erfassung vieler Komponenten in einer Probe durch eine einzige Messung. Aufgrund dessen wird die NMR-Spektroskopie u.a. in Form der zielgerichteten Analyse (Target-Verfahren) eingesetzt. Dabei werden nur bestimmte Komponenten untersucht, deren Strukturen bekannt sind. Mit dem zielgerichteten Ansatz können nur sehr spezifische und bekannte Verfälschungen aufgedeckt werden, z.B. die Beimischung von billigerem Robusta- zu teurerem Arabica-Kaffee.

Target- oder Non-Target-Verfahren

Target-Verfahren ermöglichen auch eine schnelle Proben-Bewertung. Ein Beispiel: Mittels flüssigchromatographischer Trennung von Pestiziden, einem etablierten Target-Verfahren in der Rückstandsanalytik, lassen sich mit Hilfe niedrigauflösender (Tandem)-Massenspektrometrie innerhalb von nur 30 Minuten schon Hunderte von Verbindungen empfindlich nachweisen und hinsichtlich einer möglichen Grenzwertüberschreitung schnell bewerten. [2]

Neben der zielgerichteten Analyse wird der nichtzielgerichtete Ansatz (Non-Target) für den Aspekt der Authentizitätskontrolle immer bedeutsamer. Dieser Ansatz hat das Potenzial, zusätzlich zu bereits bekannten Verfälschungen auch unbekannte Täuschungen zu erkennen.

Zunächst werden möglichst viele Komponenten mittels hochauflösender Massenspektrometrie (HRMS) im Lebensmittel erfasst, ohne dabei alle Signale eines Spektrums einzelnen Inhaltsstoffen zuzuordnen. Anschließend wird mit geeigneten statistischen Methoden im Vergleich zu Kontrollproben überprüft, welche Massen neu hinzugekommen sind bzw. da nicht hingehören.

„Wir lernen täglich dazu, finden immer neue Substanzen und erweitern unsere Datensätze über analysiertes Probenmaterial. Auch die NMR-Spektroskopie kommt in der Non-Target-Analytik zum Einsatz, hier kann man sogar schon an einem einzelnen Signal erkennen, ob etwas verdächtig ist“, sagt Prof. Dr. Gerd Hamscher, Professor für Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. So lässt sich beispielsweise griechisches von italienischem Olivenöl unterscheiden und die tatsächliche Herkunft bestimmen. Oder man entdeckt mittels HRMS im Schweinefleisch neue Biomarker als Folge einer möglicherweise verbotenen Arzneimittelgabe.“ (s. auch Non-Target-Screening in der Wasseranalytik)

Antiobiotika-Rückstände sind ein Umweltproblem

Die Arbeitsgruppe von Prof. Hamscher ist spezialisiert auf die Antibiotika-Analytik in der Tierhaltung, also die Untersuchung von Wirkstoffen, die Tieren verabreicht wurden und deren Weg vom Tier in die Umwelt (Stallumgebung, Gülle, Boden, Grundwasser). Die Anwendung von Tierarzneimitteln ist häufig nötig, um die Tiergesundheit zu erhalten und den Tierschutz zu gewährleisten. [3] 

Nach einer Behandlung lebensmittelliefernder Tiere muss zum Schutz des Verbrauchers aber sichergestellt werden, dass keine unzulässigen Rückstände der Arzneimittel in Lebensmitteln vorhanden sind. Immerhin besteht laut Prof. Hamscher aber kein Problem mit Antibiotikarückständen in Lebensmitteln. Die Belastung von tierischen Lebensmitteln durch Tierarzneimittelrückstände lag in den vergangenen Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau, eine Gefährdung der Verbraucher ist daher nahezu ausgeschlossen.

Hochempfindliche Nachweismethoden verhindern Umweltbelastung

Eine Belastung der Umwelt dagegen nicht, denn durch die Gülledüngung gelangen persistente, also schwer abbaubare Wirkstoffe in beachtlichen Mengen in landwirtschaftlich genutzte Böden, erreichen das Grundwasser und können auch in Pflanzen verlagert werden. Man kann im Grundwasser immer noch Arzneimittel finden, die vor über 20 Jahren eingesetzt wurden.

„Wir haben eine Vielzahl an Lebensmittelproben, die hinsichtlich Tierarzneimitteln unbelastet sind. Entscheidend ist es, jene mit hoher Sicherheitsrelevanz zu identifizieren. Herausfordernd in diesem Bereich der Analytik ist, dass wir bei verbotenen Substanzen nach minimalsten Kontaminationen suchen müssen“, sagt Prof. Hamscher und ergänzt: „Mit den heutigen Probenvorbereitungstechniken (Abb.3) in Verbindung mit hochempfindlichen Nachweismethoden (Abb. 4) lässt sich aber so ziemlich alles bis in den Spurenbereich eindeutig bestimmen. Mit entsprechender Software bekommen Sie auch gleich einen Strukturvorschlag des ‚Eindringlings‘ mitgeliefert, inklusive Hinweisen über Abbauprodukte der genutzten Substanzen.“

Auch Krankheitserreger werden „gejagt“

Über Kontaminationen gelangen nicht selten krankmachende Erreger wie Salmonellen auf Lebensmittel. 2021 wurden beispielsweise im Landesamt für Verbraucherschutz in Sachsen-Anhalt 4825 Lebensmittelproben auf Krankheitserreger untersucht. [4] Insgesamt konnten in 304 (6,3 %) Proben krankmachende Mikroorganismen nachgewiesen werden. Die meisten dieser Erzeugnisse waren nicht zum Rohverzehr vorgesehen, so dass durch ausreichendes Erhitzen und gute Küchenhygiene eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen ist.

15 (0,3 %) Proben wurden als gesundheitsschädlich beanstandet. Das Ziel der bakteriologischen und virologischen Lebensmitteluntersuchung ist es, genau diese Erreger aufzuspüren. Zur Identifizierung dieser unerwünschten „Gäste“ können biochemische Merkmale geprüft werden, etwa die Fähigkeit, Milchzucker zu verwerten oder Antigene.

Auch die sogenannte MALDI-TOF (Matrix-Assisted Laser Desorption Time-of-Flight)-Massenspektrometrie wird häufig eingesetzt, um die genaue Bakterienart zu bestimmen. Hierbei werden Proteine der Bakterien durch einen Laser ionisiert, im Massenspektrometer aufgetrennt und analysiert sowie durch Abgleich des Proteinmusters mit Datenbanken bekannter Bakterien verglichen.

Um den Krankheitserreger aufzuspüren, werden immer häufiger auch Technologien zur Aufschlüsselung des gesamten Erbguts eingesetzt. Mittels neuer Technologien der Ganzgenomsequenzierung kann innerhalb weniger Tage das gesamte Erbgut dutzender Krankheitserreger gelesen werden. Dies trägt ebenfalls zur Aufklärung von Kontaminations- und Infektionswegen bei Krankheitsausbrüchen bei.

Next Level: Digitalisierung und Lichtquanten

Ein Treiber für die Weiterentwicklung der chemischen Lebensmittelanalytik ist die Digitalisierung. Schnellere Rechner, schnellere Datenverarbeitung und höhere Speicherkapazitäten (im Terabyte-Bereich) erhöhen die analytische Leistungsfähigkeit: mehr Proben können in einer Zeiteinheit durchgetestet werden, die Daten schneller abgeglichen und höhere Qualität und Sicherheit der Analyseergebnisse erzielt werden.

„Vor zehn Jahren war das noch undenkbar. Auch Künstliche Intelligenz in Form von entsprechender Software hält Einzug in unsere Analytiklabore, um schneller unbekannte Substanzen zu analysieren und in den riesigen Datenbanken weltweit nach ähnlichen Strukturen und Spektren suchen zu können“, erläutert der Gießener Lebensmittelchemiker und -toxikologe Gerd Hamscher.

Forschung zur Aufdeckung von Lebensmittelbetrug

Auch interessante neue Verfahren könnten die Lebensmittelanalytik bald auf ein neues Niveau heben. So deckt das Laser Zentrum Hannover e.V. (LZH) mit einer neuen Methode mit Hilfe von Lichtquanten Lebensmittelbetrug auf [5]. Forschende haben in einem Verbundprojekt ein neues Analyseverfahren entwickelt, das quantenmechanische Effekte nutzt, um Lebensmittel kostengünstiger auf Inhalt und Herkunft zu prüfen.

Das alternative Prüfverfahren zur NMR-Spektroskopie, die quantenbasierte Spektroskopie-Methode, soll kompakter, günstiger und hochsensitiv sein. Das Verfahren erlaubt es, mittels verschränkter Photonen die zu analysierende Substanz bei einer Wellenlänge zu messen und die daraus gewonnene Information bei einer anderen Wellenlänge zu detektieren. Die Bandbreite der Photonenpaare macht es dabei möglich, die Probe spektral aufzulösen.

Die daraus entstehenden Spektren der einzelnen Lebensmittelproben sind dabei wie Fingerabdrücke, erklärte das LZH jüngst in einer Pressemeldung. Aus der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe kann dann die Herkunft beispielsweise von Olivenöl, Fruchtsaft, Honig und vielen anderen Lebensmitteln zweifelsfrei ermittelt werden. Die Detektion von Schadstoffen in geringsten Konzentrationen soll ebenso möglich sein.

Dies wäre die Grundlage für eine neue Generation von Analysewerkzeugen, die eine umfassende Qualitätssicherung bei der Produktion von Lebensmitteln erlaubt.

Überblick: Aufgaben der Lebensmittelanalytik

  • Überprüfung von Höchstgehalten von Stoffen in Lebensmitteln (Lebensmittelsicherheit)
  • Aufspüren von illegalen Substanzen in Lebensmitteln und von verfälschten bzw. falsch deklarierten Lebensmitteln (Verbrauchersicherheit)
  • Hinweise auf die Bildung von neuen Stoffen im Organismus von Tieren (Biomarker), die z. B. auf eine unsachgemäße Behandlung mit Arzneimitteln schließen lassen.
  • Aufspüren von Krankheitserregern in Lebensmitteln oder die Messung z.B. von Antibiotika-Resistenzen

Dr. Jörg Wetterau

Labor für Kommunikation, Linsengericht

Quellen

[1] E. Hölzle, V. Gottstein, T. Kuballa: 
Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) in der Lebensmittelüberwachung 
Lebensmittelchemie 76, 206–208 (2022) (doi: https://doi.org/10.1002/lemi.202200601

[2] S. Liesenfeld, P. Steliopoulos, G. Hamscher
Metabolomics – Neue Anwendungsgebiete in der Lebensmittelüberwachung und Umweltanalytik 
Lebensmittelchemie 76, 73–120 (2022)( doi: https://doi.org/10.1002/lemi.202200305)

[3] G. Hamscher
Tierarzneimittel: Rückstände in Lebensmitteln und Umwelt 
Chemie in unserer Zeit (2019, 53, 300-307) (https://doi.org/10.1002/ciuz.201900746)

[4] Krankheitserreger in Lebensmitteln – wie gelingt der Nachweis? Presseinformation Nr. 33/2022 (Landesamt für Verbraucherschutz in Sachsen-Anhalt)

[5] Lebensmittelbetrug aufdecken – Lichtquanten sei Dank
Pressemitteilung Laser Zentrum Hannover e.V.
 

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