Quecksilber – von Alchemisten, roten Wangen und verrückten Hutmachern

 

Quecksilber ist zweifellos eines der bekanntesten Elemente des Periodensystems. Lange geliebt, oft bewundert, gebraucht und missbraucht, und heute schließlich verpönt, blickt das „flüssige Silber“ auf eine lange Tradition in der Menschheitsgeschichte zurück.

Schon in seinem Namen offenbart das Element Quecksilber seinen sonderbaren Charakter: Das chemische Symbol Hg steht für Hydragyrum (griechisch: Wassersilber) und wurde auch als Argentum vivum – lebendiges Silber – bezeichnet. Im Englischen wird es neben Mercury auch Quicksilver genannt.

Ungewöhnliche Eigenschaften

Wer schon einmal gesehen hat, wie das glänzende Metall auf glatten Oberflächen fließt, der wird den Namen flüssiges Silber nur allzu treffend finden. Quecksilber ist das einzige Metall, das schon unterhalb von Raumtemperatur flüssig ist (s. Foto oben).

Der Aggregatzustand ist jedoch nicht die einzige Absonderlichkeit, die Quecksilber zu bieten hat. Aufgrund der hohen Oberflächenspannung benetzt es glatte Flächen nicht – eine Flüssigkeit, die keine Flecken hinterlässt. Auch die hohe Dichte überrascht: Ein Liter Quecksilber wiegt mehr als 13 kg!

1911 entdeckte der niederländische Forscher Heike Kamerlingh Onnes eine andere Eigenschaft des Quecksilbers: Das Metall, das den elektrischen Strom bei Raumtemperatur eher schlecht leitet, wird beim starken Abkühlen mit flüssigem Helium auf -269 °C zum perfekten Leiter. [1] So konnte an Quecksilber zum ersten Mal Supraleitfähigkeit beobachtet werden. Eine Eigenschaft, die auch heute noch viele Wissenschaftler:innen umtreibt. Mehr zur Chemie von Quecksilber im Beitrag Quecksilber – vergöttert und verteufelt.

Von der Antike bis ins Mittelalter: Die historische Nutzung von Quecksilber

Schon in der vorgeschichtlichen Höhlenmalerei wurden Pigmente, die Quecksilber enthalten, verwendet. Bekannt sind vor allem Malereien mit Zinnober (Quecksilbersulfid, HgS), einem Rotpigment das auch dem helleren der beiden Rottöne im Wasserfarbkasten von Schulkindern seinen Namen gab. In der mittelalterlichen Buchmalerei wurden auch blaue Farbpigmente mit Quecksilber verwendet [2, 3].

Eine besondere Rolle nahm Quecksilber in der mittelalterlichen Medizin ein. Alchemisten, allen voran Paracelsus hielten es für gute medizinische Praxis, allerlei Krankheiten mit Quecksilber oder Quecksilberverbindungen zu behandeln.

Paracelsus wandte unter anderem HgCl2-Lösungen als Abführmittel an. Ob ihm die Selbstbehandlung einer Mittelohrentzündung mit Quecksilber den Tod brachte, konnte nie bewiesen werden. Zwar liefern gerichtsmedizinische Untersuchungen Hinweise, die den Tod Paracelsus’ durch eine Quecksilbervergiftung plausibel erklären können [4], ganz bewiesen wurde das jedoch nie.

Quecksilber in der modernen Medizin

Wer denkt, dass Quecksilber nur Alchemisten, Mittelalter-Quacksalbern und Badern vorbehalten war, der liegt falsch. Auch in der modernen Medizin findet Quecksilber Verwendung. Bis vor einigen Jahren waren sogar quecksilberhaltige Arzneimittel auf dem Markt. Auch Zahnfüllungen aus Amalgam waren lange Zeit Standard. Amalgame sind Legierungen des Quecksilbers, bei Zahnfüllungen beträgt der Hg-Gehalt stolze 60 %.

Heute versucht man das Metall in Arzneimitteln und Medizinprodukten zu vermeiden. Bis auf Homöopathika sind heute keine Medikamente mit Quecksilber mehr zugelassen [5] und auch Amalgamfüllungen werden zunehmend durch andere Materialien ersetzt.

Die Toxizität von Quecksilber und seiner Verbindungen hängt maßgeblich davon ab, wie und in welcher Form das Metall in den Körper gelangt. Es kann in elementarer Form oder in Form von Hg(I)- bzw. Hg(II)-Verbindungen aufgenommen werden. Wird es oral oder intravenös aufgenommen, ist der Schaden erheblich geringer, als wenn es inhaliert wird [6]. Quecksilber-Dämpfe sind stark toxisch, denn 80% des eingeatmeten Metalls gelangen in den Blutkreislauf, wo es monatelang verbleibt.

Das Einatmen von Quecksilberdämpfen ist gefährlich

Dass Quecksilberdämpfe giftig sind, musste der englische König Karl II. erfahren [7]. Er erforschte die „Chymie“ in einem palasteigenen Kellerlabor. Dort gewann er Quecksilber aus Zinnober und reinigte das Metall durch Destillation, um es anschließend in Gold zu verwandeln. Was bekanntermaßen nicht funktioniert und ihm den Tod brachte.

Zwar waren mit der Zeit die typischen Vergiftungserscheinungen wie Reizbarkeit, Niedergeschlagenheit und motorische Auffälligkeiten aufgetreten, doch konnte man das am Hofe nicht auf eine chronische Quecksilbervergiftung zurückführen. Der König verstarb am 6. Februar 1685 in Folge tagelanger Krampfanfälle.

Nicht ganz so gefährlich wie das Einatmen von Quecksilberdämpfen ist das Verschlucken von elementarem Quecksilber. Es ist unlöslich im Körper und wird unverändert wieder ausgeschieden.

Nutzen und Risiken von Quecksilbersalzen

Für anorganische Hg-Salze gab es viele Anwendungen. Lösungen mit HgCl2 wurden im 19. Jahrhundert zur Desinfektion verwendet. Kalomel, Hg2Cl2, wurde als Wurm- und Abführmittel, sowie als Zahnungspulver für Babys verwendet. Als Folge der Einnahme entwickelten Kinder Symptome der Feer`schen Krankheit: Schlafstörungen, Anstieg von Puls und Blutdruck sowie eine Rotfärbung der Haut [8]. Rote Wangen versprachen auch diverse „Schönheitscremes“ wie die „Crema de Belleza Manning“, die zu diesem Zwecke Kalomel enthielten.

Auch für die Auswirkungen von Hg2+-Salzen gibt es berühmte Beispiele. Bereits im 18. Jahrhundert kannte man das Krankheitsbild des „Erethismus mercurialis“, des Hutmachersyndroms. Charakteristisch sind auch hier neurologische Symptome wie Verwirrungszustände, Zittern, Sprach- und Gangstörungen. Hutmacher waren berufsbedingt täglich hohen Hg-Konzentrationen ausgesetzt, weil Felle beim Filzen mit Quecksilber(II)salzlösungen behandelt wurden.

Auch der verrückte Hutmacher aus Alice im Wunderland (Lewis Carrol 1865) wird als leicht reizbare Person mit ständig wechselnden Stimmungslagen beschrieben. Die salpetersauren Quecksilberbeizlösungen, mit denen die Hutmacher arbeiteten, wurden erst in den 1960er Jahren verboten.

Tragischer Tod durch Dimethylquecksilber

Besonders gefährlich ist Hg in den organischen Verbindungen Methylquecksilberchlorid und Dimethylquecksilber (Me2Hg). Traurige Berühmtheit erlangte die Chemieprofessorin Karen Wetterhahn [9], die im Juni 1997 an den Folgen einer Vergiftung mit Me2Hg verstarb. Sie hatte wenige Tropfen der Flüssigkeit versehentlich über die Haut aufgenommen, obwohl sie beim Arbeiten Latex-Handschuhe getragen hatte. Wetterhahn forschte am Dartmouth College in Hanover (New Hamshire, USA) über die Toxizität von Metallen und wusste um die Gefahren der Substanz. Trotz einer Behandlung mit Chelatbildnern erlag sie den Folgen der Akutvergiftung ein knappes halbes Jahr nach dem Laborunfall. Ihr Tod führte zur Verschärfung der Sicherheitsvorschriften beim Umgang von Dimethylquecksilber, dessen Verwendung zusätzlich eingeschränkt wurde.


Dr. Carolin Sage

Consider Science

Quellen

[1]: H. K. Onnes, Comm. Leiden 120b, 1911
[2]: https://www.planet-wissen.de/technik/farbe/natuerliche_farben/index.html (abgerufen am 15.06.2023)
[3]: D. Oltrogge, R. Fuchs, Farbe in der Buchmalerei, Rezeptliteratur und Befunde, Akademie Verlag, Berlin 2011
[4]: C. Reiter, Das Skelett des Paracelsus aus gerichtsmedizinischer Sicht, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Selbstverlag der Gesellschaft, Salzburg 1994
[5]: Recherche im Arzneimittel-Register des BfArM (durchgeführt am 14.06.2023) https://portal.dimdi.de/amguifree/am/search.xhtml
[6]: A. Stock, Angew. Chem. 39: 461, 1926
[7]: J. Emsley, Mörderische Elemente, prominente Todesfälle, Wiley-VCH, Weinheim 2006
[8]: https://www.wissen.de/lexikon/feersche-krankheit (abgerufen am 15.06.2023)
[9]: https://www.chemistryworld.com/opinion/the-dangers-of-dimethylmercury-/3010064.article (abgerufen am 15.06.2023)

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