Nicht das Gleiche: Gefahr und Risiko

 

Es war ein typisches „Sommerloch“-Thema im Juli 2023: in der Gemeinde Kleinmachnow südwestlich von Berlin war angeblich eine Löwin gesichtet worden. Redaktionen von Fernsehen, Hörfunk und Zeitungen überschlugen sich in der Berichterstattung und auch die Social Media-Kanäle liefen heiß. Zumindest so lange, bis einen Tag später die Suchaktion abgeblasen wurde, weil es sich wohl um ein Wildschwein gehandelt hatte.

Wir nehmen die Geschichte zum Anlass, etwas über den Unterschied der Begriffe Gefahr und Risiko zu lernen. Diese werden sie oft als Synonyme verwendet, also als Wörter, die die gleiche oder zumindest eine ähnliche Bedeutung haben. Aber das ist so nicht richtig.

Unter Gefahr versteht man etwas, das das Potenzial hat, Schaden zu verursachen. Risiko definiert man als die Wahrscheinlichkeit, dass es aufgrund der Gefährdungsexposition zu Schaden kommt. [1]

Die Infografik des Europäische Informationszentrums für Lebensmittel (European Food Information Council (EUFIC)) erläutert den Unterschied.

Ein Löwe im Zoo: eine Gefahr, aber kein Risiko

Ein Löwe ist ein Raubtier und damit für den Menschen eine Gefahr. Wer einem Löwen auf der Straße begegnet, hat ein hohes Risiko, von dem Raubtier verletzt oder getötet zu werden. Somit wäre die Löwin von Kleinmachnow, wenn sie existiert hätte, nicht nur eine Gefahr, sondern auch ein hohes Risiko für diejenigen gewesen, die ihr begegnet wären.

Auch in einem Zoo ist der Löwe eine Gefahr. Aber hier können Menschen dem Löwen bis auf wenige Meter nahekommen, denn Mensch und Löwe sind durch Zäune, Wassergräben oder andere Maßnahmen voneinander getrennt. Das Risiko, das von dem Löwen ausgeht, ist dadurch vernachlässigbar gering, obwohl der Löwe selbst ein gefährliches Tier bleibt.

Corona: Gefahr für Alle, aber hohes Risiko nur für die Älteren

Auch eine Corona-Infektion ist eine Gefahr. Jüngere Menschen ohne Vorerkrankungen überstehen sie meist ohne größere Probleme. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf, das Risiko, gering. Ältere Menschen oder Personen mit Vorerkrankungen erkranken dagegen häufiger schwer, sie haben ein höheres Risiko, durch Corona schwer zu erkranken.

Trotz des geringeren Risikos eines schweren Verlaufs gibt es auch junge Menschen ohne Vorerkrankungen, denen eine Corona-Infektion schwer zugesetzt hat. Und mancher Senior oder Seniorin hat trotz diverser Vorerkrankungen eine Infektion viel besser weggesteckt als befürchtet. Denn die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs, das Risiko, ist nicht bei jungen Menschen 0% und bei alten Menschen 100%, sondern immer irgendwo dazwischen.

Auch ein Auto ist eine Gefahr

Autos sind für Menschen generell eine Gefahr. Schließlich ist ein Auto sehr viel „stärker“ als ein Mensch und hat das Potenzial, einen Menschen schwer zu verletzen oder zu töten.

Bei Menschen auf einer Autorbahn ist das Risiko eines schweren Unfalls sehr hoch, weil viele Autos und eine hohe Geschwindigkeit zusammenkommen. Kein Wunder, dass im Radio sofort ein Warnhinweis kommt, wenn spielende Kinder an oder auf einer Autobahn gesehen werden.

Spielen Kinder in einer Spielstraße, ist das Risiko eines Unfalls sehr viel geringer. Denn durch die Spielstraße fahren viel weniger Autos und diese fahren (hoffentlich) in Schrittgeschwindigkeit.

Trotzdem bleibt das Auto an sich eine Gefahr, egal ob auf der Autobahn oder der Spielstraße. Aber durch die Umstände (Anzahl und Geschwindigkeit) ist die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls, also das Risiko in der Spielstraße deutlich geringer als auf der Autobahn.

Gefährlich oder nicht? Manchmal stimmt beides!

Damit wird auch klar, warum die Einschätzung über Chemikalien manchmal so widersprüchlich scheint. Ein fiktives Beispiel: Ist die Substanz XY, die in einem Gewürz Z vorkommt, nun schlecht für uns oder nicht?

So untersucht zum Beispiel eine Studie die Giftigkeit der Substanz XY und das Ergebnis ist: ja, die Substanz ist giftig, Menschen können durch Einnahme einen Schaden erleiden. Die dazugehörige Pressemeldung lautet: „Substanz XY im Gewürz Z ist eine Gefahr.“

In einer anderen Studie wird festgestellt, dass die Konzentration von XY im Gewürz Z so gering sind, dass Menschen mehr als ein Kilogramm des Gewürzes innerhalb eines Tages zu sich nehmen müssten, damit eine Vergiftungserscheinung eintritt. Da niemand auch nur annähernd ein Kilogramm des gleichen Gewürzes innerhalb eines Tages auf sein Essen schüttet, ist das Risiko, das von XY im Gewürz Z ausgeht, sehr gering. Die Pressemeldung in diesem Fall lautet: „XY im Gewürz Z ist unbedenklich“.

Daher sollte man nicht nur die Überschrift, sondern auch den dahinter stehenden Beitrag lesen, um die Informationen korrekt zu erfassen und sich ein eigenes Urteil bilden zu können. 

Dr. Karin J. Schmitz

Leiterin GDCh-Öffentlichkeitsarbeit

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