Meerwasserentsalzung: Trinkwasser für Menschen am Persischen Golf
Sauberes Trinkwasser gilt als UN-Menschenrecht. Doch es ist ein rares Gut. Denn Süßwasser macht nur etwa 2,5 Prozent der weltweiten Wasserressourcen aus. Und nur ein Teil davon ist wiederum zugänglich und so sauber, dass es trinkbar ist. Durch den Klimawandel wird für immer mehr Menschen der Zugang zu Trinkwasser noch schwieriger, als er in vielen Regionen der Welt sowieso schon ist.
Daher wird schon länger an Methoden gearbeitet, um das in Massen verfügbare Meerwasser zu entsalzen. Die Haupttechniken sind die Verdunstung und die Umkehrosmose, bei der das Salzwasser unter hohem Druck durch Membranen gedrückt wird, die das Salz zurückhalten. Das entscheidende Problem bei beiden Techniken: Sie sind teuer und energieaufwendig.
Internationale Kooperation bei innovativem Projekt
Dass es auch nachhaltiger und kostengünstiger geht, zeigt das internationale Forschungsprojekt HydroDeSal. Das neue Verfahren ermöglicht nicht nur eine innovative Meerwasserentsalzung am Persischen Golf, es steht auch für eine gelungene Zusammenarbeit einst verfeindeter Länder.
Denn bei diesem Projekt arbeiten Partner aus Deutschland, dem Iran und dem Irak zusammen, um Meerwasser aus dem Persischen Golf Hydrogelen zu entsalzen und damit Siedlungen an dessen Küste mit Trinkwasser zu versorgen.
Projektziel: Meerwasser in Trinkwasser umwandeln
„Hydrodesal ist ein vielversprechendes Verfahren für eine dezentrale Wasserversorgung in trockenen Regionen. Unser Ziel ist es, mit temperatursensitiven Hydrogelen Meerwasser des Persischen Golfs in Trinkwasser umzuwandeln, um damit energieunabhängig, einfach getrieben durch den Tag-Nacht-Wechsel, kleine Siedlungen in der Region mit Wasser zu versorgen", erklärt Sebastian Seiffert, Professor für Physikalische Chemie der Polymere an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
Gemeinsam mit einem Forscherteam aus iranischen, irakischen und deutschen Wissenschaftlern hat er in den vergangenen drei Jahren das Verfahren optimiert – mit Expertise von Chemieingenieuren, Polymer- und Membranwissenschaftlern. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) förderte das Kooperationsprojekt bis Juni 2024 mit 600.000 Euro.
Im Video erklären die Forschenden das Prinzip der Meerwasserentsalzung mit Hilfe des von ihnen entwickelten Verfahrens.
Energieautark dank Tag- und Nachtwechsel
Entscheidend für das Verfahren sind die Hydrogele. Diese speziellen Gele bestehen aus Polymeren, die auf Temperaturänderungen reagieren. Die Polymere saugen sich mit Salzwasser voll – ähnlich wie dies Superabsorber in Babywindeln tun – und dehnen sich aus.
„Durch elektrische Ladungen in den Partikeln wird das Salz dabei zurückgehalten. Die Partikel nehmen also Wasser auf und stoßen Salz ab. Wenn sie sich wieder zusammenziehen, entweicht das Wasser – salzfrei. Die Partikel machen das aber nicht freiwillig; sie müssen zur Wasserfreisetzung „gezwungen“ werden. Und das kostet Energie. Aber genau diese wird autark durch den Tag-Nacht-Temperaturunterschied erzeugt. Natürlich und kostenlos“, beschreibt Sebastian Seiffert vereinfacht das innovative Verfahren.
„Wir nutzen Polymerpartikel, die bei einer niedrigen Nachttemperatur aufquellen und bei Tag und höheren Temperaturen wieder das Wasser abgeben.“ Der Tag-Nachtwechsel ist der natürliche Antrieb für diese Methode. Das Verfahren benötigt also eines nicht: Eine Steckdose.
„Das funktioniert natürlich so nur in kleineren Anlagen, und ist daher keine Konkurrenz zu den großen Reverse-Osmose-Anlagen, sondern vielmehr eine Ergänzung in Regionen, wo sich diese Großanlagen technisch einfach nicht lohnen, oder für wirtschaftlich schwache Regionen“, sagt Sebastian Seiffert.
Aus Grundlagenforschung wird konkrete Anwendung
Zwei wesentliche Entwicklungsschritte waren beim Forschungsprojekt zum Erreichen der Projektziele geplant: In der ersten Projektphase sollten optimierte Hydrogele und neuartige Membranen entwickelt werden. Dies ist dem Projektteam gelungen.
Das Augenmerk bei der Optimierung der Hydrogele lag dabei auf drei Parametern: Im Hinblick auf den Einsatz von thermoresponsiven Hydrogelen im Entsalzungsprozess sind der Gleichgewichtsquellungsgrad, die Salzrückweisung und die Effizienz bei der Wasserrückgewinnung drei zentrale Merkmale, welche die Gesamtleistungsfähigkeit des Prozesses bestimmen. Ein Hydrogel allein, auch wenn es eine eigene Membran hat, funktioniert dabei nicht.
Der Weg zur richtigen Mischung gestaltete sich schwierig. „Es sind viele gegenläufige Parameter im System zu beachten, um am Ende dann den richtigen Kompromiss zu finden. Der Schlüssel ist das Drehen am nanoskopischen Aufbau der Materialien“, erläutert Chemiker Seiffert. „Hierbei geht es darum, die funktionsgebenden Strukturelemente im Gel, also dessen Ladungen zur Salzrückhaltung einerseits und dessen umgebungssensitive Segmente zur Einstellung der Temperatur-Schaltbarkeit andererseits, räumlich auf Skalen von Nanometern voneinander zu trennen. So arbeiten sie entkoppelt, und eine Parameter-Optimierung wird wesentlich weniger komplex. Vor zehn Jahren interessierte mich so etwas nur aus rein akademischer Sicht. Jetzt arbeiten wir auf einen konkreten Nutzen hin“, sagt Seiffert.
Projektweiterführung noch offen
In der zweiten Projektphase sollte ein Labordemonstrator einer Entsalzungsanlage auf Basis der entwickelten Komponenten realisiert und durch einen Projektpartner im Einsatz vor Ort getestet werden. Dieses Projektziel konnte noch nicht vollständig erreicht werden.
Das hat aber einen nachvollziehbaren Grund. „Nach den bisherigen drei Jahren Projektlaufzeit fehlen uns durch den schleppenden, coronabedingten Vorlauf weit über ein Jahr intensive Forschungsarbeit. Dennoch haben wir schon viel erreicht. Wir haben jetzt eine Vorversion eines etwa Kühlschrankgroßen Labordemonstrators einer Entsalzungsanlage. Wir haben mannigfaltige Hydrogele und Membranen entwickelt.
Wir bräuchten aber noch mehr Zeit und Forschungsgelder, um das System weiter zu optimieren und auszuentwickeln, dann können wir mit dem Scale-up beginnen. Dazu wäre ein mittelständisches Unternehmen ein idealer Partner für uns; und entsprechende Fördermittel, die einen Großteil der Kosten für solch eine Folgeprojektphase abdecken würden, könnten dafür auch relativ schnell und einfach beantragt werden“, wünscht sich Projektleiter Seiffert.
Er hofft, dass auch nach Abschluss des Projekts die Zusammenarbeit zwischen den Partnern aus Deutschland und der Region fortgesetzt wird, um neue Kooperationen auf dem Gebiet der Wasserentsalzung zu etablieren. Überhaupt ist es die außergewöhnliche Zusammensetzung der Forschungsgruppe, die dieses Projekt zu etwas Besonderem macht.
Forschung über Grenzen hinweg
Die Idee für das neue Entsalzungsverfahren geht bis ins Jahr 2018 zurück. Dr. Amir Jangizehi, ein Postdoc aus dem Iran, beschäftigte sich mit supramolekularen Polymernetzwerken, spannenden Materialien mit spannenden internen Dynamiken, sensible, umgebungssensitive Systeme, deren Gleichgewichte sehr temperarturabhängig sind.
„Irgendwann kam der Gedanke, dass diese Systeme für die Wasserentsalzung interessant sein könnten. Könnte man geladene Hydrogele verbinden mit einer supramolekularen Umgebungssensitivität, einem umschaltbaren Netzwerk, das auf Temperaturunterschiede reagiert?“, erinnert sich Sebastian Seiffert. „Durch die Verbindung unseres iranischen Forschers bekamen wir dann schnell Kontakt zu zwei iranischen und einer irakischen Forschergruppe, mit denen wir das Thema schließlich international aufziehen konnten.“
Seiffert, der sich auch als Mitglied der „Scientists for Future Mainz“ aktiv für den Klimaschutz einsetzt, betont vor allem das Zusammenarbeiten zwischen deutschen, iranischen und irakischen Wissenschaftlern. „Webmeetings waren während der jüngst wiederholt unruhigen Zeiten im Iran zwar bisweilen schwierig, da oft das Internet ausfiel. Persönliche Treffen in Mainz und persönliche Kontakte durch den beteiligten Postdoc vor Ort haben das Projekt dann aber richtig beflügelt und wie ein Katalysator gewirkt.
Die Zusammenarbeit erfolgt trotz bestehender oder vergangener politischer Konflikte ganz hervorragend. Das spielt keine Rolle in der wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Das ist einfach erfrischend zu sehen. Es ist mir eine besondere Ehre, hier partnerschaftlich mit Kollegen aus Ländern zusammenzuarbeiten die zu Zeiten meiner Kindheit noch im Krieg miteinander waren“, beschreibt Sebastian Seiffert den Forschungsalltag im Projekt.
Erklärvideo sorgt für besondere Anfragen
Um mehr Aufmerksamkeit für das Projekt zu erzeugen, hat die Forschungsgruppe ein Video (siehe weiter oben in diesem Beitrag) produziert, das mit vielen Animationen das Verfahren gut und verständlich erklärt. „Die Animationen und der Profisprecher waren am teuersten“ schmunzelt Seiffert. In der deutschen Version ist daher die Synchronstimme von „Dr. House“ zu hören. Das Video wurde Ende Mai von der Uni Mainz auf X (ehemals Twitter) gepostet und hat innerhalb weniger Tage über 50.000 Views bekommen.
Mit einem erstaunlichen Nebeneffekt, betont Prof. Seiffert: „Denn es haben sich daraufhin mehrere Agenturen gemeldet, die das Projekt etwa für Luxushotelketten in Dubai oder für Einsätze im militärischen Bereich spannend fanden. Das wiederum ist aber nicht die Hauptmotivation unserer Innovation.“
Umweltfreundlicher Ersatz für Tanklastwagen
Die kompakte und autarke Entsalzungsanlage soll vor allem in entlegenen Gebieten und kleineren Siedlungen zum Einsatz kommen. Am Persischen Golf gibt es tausende solcher Siedlungen, die Frischwasser benötigen. Diese werden z.B. noch durch aufwendige und umweltschädigende Tanklastsysteme versorgt. Sebastian Seiffert ist überzeugt: „Unser Verfahren kann und wird einen regionalen Beitrag zur Lösung des globalen Problems der Wasserknappheit leisten, unter dem die Bevölkerung in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens – auch bedingt durch den Klimawandel – besonders leidet.“
Quellen und weitere Informationen
Projekt HydroDeSal: www.hydrodesal.net
Team Hydrodesal: Team | HydroDeSal (uni-mainz.de)
Pressemitteilung der Universität Mainz: https://presse.uni-mainz.de/mainzer-forscher-an-mit-bundesmitteln-gefoerdertem-projekt-zur-meerwasserentsalzung-am-persischen-golf-beteiligt/
Kontakt:
Prof. Dr. Sebastian Seiffert
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Department of Chemistry
Building No. 2121
3rd Floor / Room 03 110
Duesbergweg 10–14
D-55128 Mainz
+49 (0) 6131 39 23887
sebastian.seiffert[a]uni-mainz.de
www.polymer-phys.chemie.uni-mainz.de/prof-dr-s-seiffert/
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