Blut - ein ganz besonderer Saft

 

Folge 7: Aktuelle Chemie 2019 – Medizin und Gesundheit

Blut ist das große Transportmedium im menschlichen Körper. Viele krankhafte Veränderungen des Körpers lassen sich bei der Analyse des Blutes erkennen. Aber eine korrekte Analyse ist gar nicht so einfach.

Blut: das Brot- und Buttermaterial für die Labormedizin

Blut ist ein besonderer „Saft“, der aus 45 Prozent Blutzellen und 55 Prozent Blutplasma besteht. Rund fünf bis sechs Liter strömen permanent durch unseren Körper und diese enthalten wichtige Informationen über unseren gesundheitlichen Zustand. „Blut ist das große Transportmedium im menschlichen Körper. Viele Veränderungen, auch krankhafte, können wir im Blut erkennen und nachweisen, weil es zudem in jeden letzten und kleinsten Winkel des Körpers fließt und uns quasi ein Abbild des Körperinnern wiedergibt. Es nimmt Substanzen mit, die dort entstehen oder Veränderungen im Körper bewirken“, beschreibt Dr. med. Alexander von Meyer, MBA Chefarzt Laboratoriumsmedizin, Kliniken Nordoberpfalz AG Klinikum Weiden und Chefarzt Klinikum St. Marien Amberg.

Blut ist also das Brot- und Buttermaterial für die Labormedizin. So hilft beispielsweise ein Schnelltest auf das Enzym Troponin einen Herzinfarkt auszuschließen, da dessen Konzentration im Blut bei einer Schädigung der Herzmuskulatur erhöht ist. Außerdem lassen sich bei einer Infektion viele Krankheitserreger im Blut oder spezifische Antikörper gegen einen Erreger nachweisen. Und jeder kennt das: Ein kleiner Piks in die Fingerkuppe gibt sekundenschnell Antwort auf unseren Blutzuckerwert und damit unser Diabetesrisiko. Eine Blutprobe aus dem Ohrläppchen gibt Auskunft über den Lactatwert oder über die Sauerstoffsättigung im Blut, wichtig für Leistungssportler und bei Lungenfunktionsuntersuchungen. 

Noch wesentlich aufschlussreicher als diese kapillären Blutuntersuchungen ist die venöse Blutentnahme. Diese Blutuntersuchung ist eine der hilfreichsten diagnostischen Methoden in der Medizin. Häufig werden drei verschiedene Röhrchen bei dieser Blutprobe gefüllt: Ein Röhrchen, mit Heparin als Zusatz, dient in der klinischen Chemie zur Analyse der Enzyme (z.B. Leberenzyme), Elektrolyte wie Natrium, Calcium oder Magnesium, sowie einfacher Hormonbestimmungen für Schilddrüsenhormone oder Proteinbestimmungen. In einer zweiten Probe, mit EDTA (Ethylendiamintetraazetat) als Gerinnungshemmer, werden alle Untersuchungen auf zelluläre Bestandteile durchgeführt. Hierzu gehört auch das kleine Blutbild. Hier werden Blutbestandteile wie Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten und der Hämatokritwert bestimmt. Ein Differentialblutbild, auch großes Blutbild genannt, wiederum ermöglicht die genauere Differenzierung der verschiedenen Leukozytentypen. Das dritte Röhrchen wird zur Gerinnungsdiagnostik benötigt und ist mit Citrat versetzt, um zunächst die außerhalb des Körpers sofort einsetzende natürliche Gerinnung des Blutes zu unterbinden. 

Venöse Blutentnahme als Teil der Präanalytik

Die peripher venöse Blutentnahme ist die Standardprozedur zur Gewinnung von Probenmaterial für die Durchführung labordiagnostischer Maßnahmen. Chemische, immunologische, genetische, mikroskopische, mikrobiologische und andere Untersuchungen des Blutes setzen zunächst eine fehlerfreie Entnahme des Blutes voraus. Die Labordiagnostik umfasst daher die Bereiche Präanalytik, Analytik und Postanalytik, die Präanalytik wiederum alle Prozeduren von Indikationsstellung, über die Blutentnahme, den Probentransport bis zum Start der eigentlichen Analytik. „Die Herausforderung für den Labormediziner ist es, trotz Zeitverzögerung von teilweise mehreren Stunden inklusive des Transports der Blutprobe den Ist-Zustand des Blutes zu bestimmen, der exakt zur Abnahme des Blutes im Körper des Patienten geherrscht hat. „In vitro“ muss also ziemlich genau „in vivo“ entsprechen“, sagt Alexander von Meyer. 

Labormediziner sind somit vor allem darauf angewiesen, dass die Blutprobe richtig entnommen wurde. Um diagnostisch störende Einflüsse auf die Konzentration der gewählten Analyten in der Probe zu vermeiden, sollte etwa eine Nüchtern-Blutentnahme morgens erfolgen. Der Patient sollte davor zwölf Stunden kein Essen oder Getränke (außer Wasser) zu sich genommen haben und 24 Stunden keinen Alkohol getrunken haben. Das klingt einleuchtend, aber: „Die Qualität der Blutanalyse hängt vor allem von der korrekten Präanalytik, also der Vorbereitung und Durchführung der Blutprobe ab. Hier können bereits viele Fehler gemacht werden, die zu falschen Rückschlüssen bei der Analyse führen können. 70 % der Fehler entstehen aus bzw. über die Präanalytik. Wenn man bedenkt, dass eine Blutentnahme rein rechtlich gesehen eine Körperverletzung ist, hat der Patient ein Anrecht darauf, dass mit seiner Blutprobe von Anfang bis Ende alles richtig verläuft“, fordert von Meyer. 

Standardisierung der Präanalytik vermeidet Fehler

Um diese Fehler zu reduzieren, sind Standardisierungen etwa bei der Zuckerbestimmung im Blut oder bei Fettwerten wichtig, um entsprechende Laborwerte bzw. Referenzwerte einordnen zu können. „Wir wollen eine Harmonisierung über den kompletten Prozess bei der Blutanalyse – von der Präanalytik über die Laboranalyse bis zur Postanalytik. Nur so ist standardisiert sichergestellt, dass die ermittelten Analysedaten richtig einzuordnen sind und bewertet werden können“, ist von Meyer überzeugt. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin e. V (DGKL) hat er eine Standard-Arbeitsanleitung zur peripher venösen Blutentnahme für die labormedizinische Diagnostik herausgegeben (s. unten), die zur Qualitätssicherung im labormedizinischen Bereich beitragen soll.

Eine weitere Optimierung der Blutanalyse wird durch die zunehmende Automatisierung der Laboranalytik ermöglicht. Dadurch können die Messungen von Routineparametern im Blut immer standardisierter, schneller und auch genauer durchgeführt werden. Auch künstliche Intelligenz hilft mittlerweile in vielen Laboren schon zur Mustererkennung bei Blutbildern, wenn etwa zahlreiche Ausstriche von Blutproben mikroskopisch untersucht werden müssen. 

Natürlich steckt in einer Blutanalyse trotz Künstlicher Intelligenz und Automatisierung noch jede Menge organische und anorganische Chemie. Bei der klinischen Chemie wird jedes Enzym klassisch analytisch bestimmt, etwa durch katalytisch hervorgerufene Farbreaktionen. Häufig kommen dabei photometrische Untersuchungsmethoden zum Einsatz. Und Inhaltstoffe wie Natrium oder Kalium werden immer noch klassisch ionometrisch bestimmt.

Fazit: Ob Zivilisationserkrankungen wie Diabetes oder Fettstoffwechselstörungen, ob Untersuchungen bei Verdacht auf Infektionen, Entzündungen, Tumoren, Anämien, Gerinnungsstörungen oder seltene Blutkrankheiten sowie zur Verlaufskontrolle vieler Krankheiten – dank moderner Labordiagnostik und Laboranalytik haben wir dem Blut schon einige Geheimnisse entreißen können. Also keine Angst vor der nächsten Blutabnahme – sie kann schließlich Leben retten.

Dr. Jörg Wetterau

Labor für Kommunikation, Linsengericht

Wissenschaftliche Beratung: Dr. Alexander von Meyer, MBA, Chefarzt Laboratoriumsmedizin, Kliniken Nordoberpfalz AG, Klinikum Weiden und Chefarzt Klinikum St. Marien Amberg

Zum Weiterlesen:

Die AG „Extraanalytische Qualitätssicherung“ wurde in Anlehnung an die vormals bestehende AG „Präanalytik“ gebildet. Im Fokus dieser AG stehen zentrale Aspekte der Prä- und Postanalytik. Die Arbeitsgruppe hat 2017 beim De Gryter Verlag eine Standard-Arbeitsanleitung zur peripher venösen Blutentnahme für die labormedizinische Diagnostik herausgegeben. Das Pdf ist unter https://www.dgkl.de/fileadmin/Verbandsarbeit/Extraanalytische_Qualitaet/_Journal_of_Laboratory_Medicine__Standard-Arbeitsanleitung_zur_peripher_vensen_Blutentnahme_fr_die_labormedizinische_Diagnostik.pdf erhältlich.

(Quelle: von Meyer, A., Cadamuro, J., Streichert, T., et al. (2017). Standard-Arbeitsanleitung zur peripher venösen Blutentnahme für die labormedizinische Diagnostik. LaboratoriumsMedizin, 41(6), pp. 333-340. Retrieved 4 Dec. 2018, from doi:10.1515/labmed-2017-0127)
 

Bildnachweis Titelbild: Peter Schreiber Media/stock.adobe.com

Dieser Beitrag wurde auf FaszinationChemie erstmalig veröffentlicht am 17.04.2019.

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