Beton – (k)ein Werkstoff für die Ewigkeit

 

Die Meldung ließ aufhorchen: Die Sauerlandautobahn A45 ist seit Dezember 2021 bei Lüdenscheid voll gesperrt, weil eine in den 1960er Jahren gebaute Talbrücke aus Stahlbeton völlig marode ist. Die Betonpfeiler halten dem Schwerverkehr nicht mehr dauerhaft stand. Der Superwerkstoff Beton scheint also nicht ewig haltbar und stabil zu sein, sondern kommt im Laufe der Jahre und durch äußere Umstände irgendwann an seine Grenzen. Davon betroffen sind an deutschen Autobahnen inzwischen mehrere tausend Brückenbauwerke. Auch im hessischen Wiesbaden wurde die zur A66 gehörende Salzbachtalbrücke im Juni 2021 komplett gesperrt und im November 2021 offentlichkeitswirksam gesprengt, weil sie nicht mehr zu reparieren war (s. Video unten).

Dabei hat sich Beton lange als nahezu alternativloser Baustoff zum Haus-, Straßen- und Brückenbau, für Fernsehtürme oder Talsperren erwiesen und etabliert – und man kann aus ihm sogar Boote bauen. Doch dazu später mehr.

Was ist Beton?

Chemisch betrachtet ist Beton eine Mischung aus Zement, Wasser, Sand, Kies oder Kalksplitt. Zement (von caementum (lat.) = Mörtel) wiederum ist eine Mischung aus hochbasischen Verbindungen des Calciumoxids (CaO, 58 - 66 %) mit Siliciumdioxid (18 - 26 % in Form von Calciumsilicaten), Aluminiumoxid (4 - 12 % in Form von Calciumaluminaten) und Eisenoxid (2 - 5 % in Form von Calciumferriten) sowie kleineren Anteilen von Mangan- und Magnesiumoxid [1]. Durch Zugabe von Sand und Wasser erhält man dann Zementmörtel, der durch Zumischen von Kies oder Steinschotter schließlich zum bekannten Beton wird, und den man durch Einbetten von Eisengittern in Form von Stahlbeton noch stabiler machen kann.

Beton trägt zur Klimaerwärmung bei

Beton wird nicht nur wegen der maroden Brücken mittlerweile kritisch betrachtet. Denn die Produktion von Beton setzt außerdem enorme Mengen an Kohlendioxid (CO2) frei und trägt damit entscheidend zur Klimaerwärmung bei. Je nach Quelle, die man recherchiert, ist die Betonproduktion für etwa 6 bis 9 % aller menschengemachten CO2-Emissionen verantwortlich. Das liegt vor allem am Ausgangsmaterial Zement, der energieaufwendig hergestellt wird.

Zur Herstellung von Zement muss zunächst ein Gemisch aus Kalkstein und Ton fein vermahlen und getrocknet werden, das dann bei 1400 – 1450 °C im Ofen gebrannt wird. Und genau an dieser Stelle werden jede Menge klimaschädliches Kohlendioxid freigesetzt. Allein in Deutschland fallen dadurch jedes Jahr etwa 20 Millionen Tonnen CO2 an. Weltweit sind es zwischen 2,5 bis 2,8 Milliarden Tonnen CO2, was wiederum rund 8 % der weltweiten CO2-Emissionen entspricht. [2]

Alternativen sind also gefragt, vor allem im Hinblick auf die nachhaltige Produktion von Beton. Dabei hat der Werkstoff eine glorreiche Vergangenheit hinter sich. Schon die Römer setzten diesen Baustoff ein, um zeitlose Bauwerke wie das Pantheon mit seinem berühmten Kuppelbau bauen zu können, damals noch aus Zementmörtel. Der Begriff „Beton“ wird erst seit dem 18. Jahrhundert verwendet und ist dem französischen „betun“ entlehnt. Ein Franzose war es auch, der um 1850 eine ungewöhnliche Idee hatte. Joseph-Louis Lambot stellte durch die Verbindung von Stahl und Beton als Erster ein Wasserfahrzeug in Betonbauweise her.

Boote aus Beton

Im Jahr 1851 meldet der Agrarökonom sein erstes Patent auf den „Mix“ von Zement und Stahlarmierung an, 1855 folgte ein Patent zur „Herstellung von Eisenbetongegenständen“ im Schiffbau. Noch im gleichen Jahr stellte Lambot sein „Eisenbetonboot“ auf der Weltausstellung in Paris vor. [3] Über ein Nischendasein kam das ungewöhnliche Gefährt allerdings nie hinaus, auch wenn es durchaus einige Vorteile gegenüber Holzbooten oder Stahlschiffen bot: Sie waren im Vergleich zu komplett aus Stahl gebauten Schiffen kostengünstiger und hatten eine längere Nutzungsdauer. 

Allerdings erschwerte das vergleichsweise hohe Gewicht des Betons das Manövrieren vor allem größerer Schiffe so sehr, dass sich am Ende die Stahlvariante durchsetzte. Ganz von der Bildfläche verschwanden Betonboote allerdings nicht. In Deutschland wurden beispielsweise 1916 zeitweise Handelsschiffe aus Eisenbeton genutzt, auch im Zweiten Weltkrieg gab es vereinzelt Betonschiffe.

Am Leben erhalten bleibt der Werkstoff Beton als Wasserfahrzeug heute eher spielerisch. Der Bau des ersten modernen Betonkanus reicht in die Jahre 1968/69 zurück, in Form eines 180-Kilogramm schweren Bootes aus Feinbeton mit Maschendrahtbewehrung (Ferrocement). Letztlich legte diese Konstruktion auch den Grundstein für die Deutsche Betonkanu-Regatta, die in diesem Jahr zum 18. Mal stattfinden wird. [4]

Betonkanu-Regatta

Die Teilnehmer haben dabei eine komplexe Aufgabe zu lösen, nämlich die Festigkeit und Wasserdichtheit der Baustoffe so in der Kanukonstruktion zu nutzen, dass leichte und gleichzeitig robuste Kanus entstehen. Die Betonkanu-Regatta ist laut Veranstalter eine Mischung aus Beton- und Bootsbautechnik, sportlichem Wettkampf und vor allem viel Spaß. Prämiert werden dabei nicht nur die sportlichen Sieger, sondern auch Kreativität bei der Gestaltung der Boote und besonders originelle Mannschaftsauftritte. Die Idee einer Betonkanu-Regatta stammt ursprünglich aus den USA und wurde in Deutschland 1986 vom damaligen Bundesverband der Deutschen Zementindustrie e.V. erstmals initiiert.

Laut Regularien müssen die vier bis sechs Meter langen und maximal einen Meter breiten Kanus aus bewehrtem Beton, Feinbeton bzw. Zementmörtel hergestellt werden. Die Wasserdichtheit des Kanus muss durch die Zusammensetzung und Verarbeitung des Betons erreicht werden. Neben dem Siegerpreis und für die beste Konstruktion (je leichter, desto besser) gibt es auch einen Nachhaltigkeitspreis. Bewertet werden hier kreative Ideen für ein nachhaltiges Betonkanu. Vielleicht entstehen aus einem schwimmfähigen Betonkanu innovative und kreative Lösungen, um den klimaschädlichen Beton eine neue, nachhaltige Zukunft zu ermöglichen.

Betonproduktion wird nachhaltiger

Ideen und Maßnahmen für nachhaltigen Beton gibt es immerhin schon an vielen Stellen. Auch die Zementindustrie ist sich ihrer Verantwortung bewusst. In einer neuen Studie „Dekarbonisierung von Zement und Beton – Minderungspfade und Handlungsstrategien“ beschreibt der Verein Deutscher Zementwerke (VDZ) wie diese Transformation bis 2050 gelingen kann [5]. Anhand von zwei Dekarbonisierungspfaden zeigt die Studie, welche CO₂-Einsparungen entlang der Wertschöpfungskette von Zement und Beton erreicht werden können. Mit konventionellen Minderungsmaßnahmen würde es bis 2050 gelingen, die CO₂-Emissionen um 36 % gegenüber 2019 zu verringern. Für eine volle Klimaneutralität müssten jedoch komplett neue Wege in der Herstellung des Zements und seiner Anwendung im Beton gegangen werden. Ein Lösungsweg könnte die Carbon Capture and Storage" (CSS)-Technologie sein. Bei dieser Methode wird das CO2, das bei der Herstellung von Zement entsteht, erst durch eine Flüssigkeit gebunden, dann anschließend wieder getrennt und soll dauerhaft gasförmig unterirdisch in ehemaligen Erdgas- und Erdöl-Lagerstätten gespeichert werden.

Eine Alternative ist es, den seit über 100 Jahren verwendeten Stahlbeton auszutauschen und Carbonbeton zum High-Performance-Baustoff der Zukunft zu entwickeln. Mit Carbon bzw. Kohlenstofffasern erhöht sich die Festigkeit um fünf- bis sechsmal gegenüber Stahlbeton, Carbonbeton ermöglicht eine Materialersparnis von etwa 75%. Auch die Lebensdauer ist deutlich höher. Und da wären wir wieder bei der Ausgangssituation: Die maroden Brücken in Deutschland. Vielleicht wird in den nächsten Jahren Carbonbeton zum nachhaltigen, ressourcenschonenden Baumaterial der Zukunft. In Dresden wird jedenfalls schon das erste Haus nur aus Carbonbeton gebaut. [6]

Wer mehr wissen will:

Sackgasse Beton: Die Suche nach Alternativen heißt die Sendung aus der ZDF-Reihe "Leschs Kosmos", in der Professor Harald Lesch sich ebenfalls mit Beton und nachhaltigeren Alternativen dazu beschäftigt. Die Sendung vom 22. März 2022 steht in der ZDF-Mediathek zur Verfügung.

Dr. Jörg Wetterau

Labor für Kommunikation, Linsengericht

Kommentare

  • Betonkopf
    am 06.09.2022
    Die Talbrücke Rahmede ist nicht wegen der maroden Stahlbeton-Pfeiler gesperrt, sondern wegen des maroden - überwiegend aus Stahl hergestellten - Stahl-Beton-Verbund-Überbaus.
    Es ist eine Stahlträger-Kosntruktion im Längssystem und eine Stahlbeton-Platte für die Querverteilung der Verkehrslasten.
    Eine Sanierung der Stahlkonstruktion war zu teuer, so das bereits 2015 der Ersatzneubau ausgeschrieben und geplant wurde.
    Meiner Kenntnis nach ist der Ersatzneubau bis einschl. zur Ausschreibung (LPh 6, HOAI) fertig geplant - seit dem Jahr 2018!
    Die Schuld liegt daher überwiegend beim Bund, der auf die Idee gekommen ist, mitten im größten Sanierungsstau in der Infrastruktur die Straßenbauverwaltung umzuorganisieren. Das ist sicherlich nicht Ihr Thema, sondern leider nur das "Beton-Bashing".

    Bitte, das nächste Mal richtig und umfassend recherchieren, bevor solche Artikel veröffentlich werden.
    Ansonsten sind einige Aussagen zum Beton (leider) richtig.
    Hier wurde in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig getan.
    Ohne Beton wird es aber auch in Zukunft nicht gehen.
    Oder möchten Sie Fundamente oder Fluchtwege (wie z.B. Treppenhäuser in mehrgeschossigen Gebäuden) aus Holz?
    Möchten Sie also alle 10 Jahre jede Schraube nachziehen und nach Pilzen und Ungeziefer suchen?
  • kjs (Redaktion)
    am 06.09.2022
    Sehr geehrter Einsender, Danke für den Hinweis.
    Der Beitrag sollte ein Bewusstsein dafür wecken, dass Beton 1. einen hohen CO2-Fußabdruck hat und 2. nicht ewig haltbar ist. Die Details, warum genau eine Brücke nicht mehr befahrbar ist und wer die Schuld daran trägt, waren in der Tat nicht Gegenstand des Artikels.
    Dass es bisher noch keine wirklichen Alternativen zu Beton gibt, hat der Beitrag thematisiert und im letzten Absatz einige Lösungsansätze beschrieben. Das Holz als Ersatz für Beton dienen könnte, wurde nicht behauptet.
    • Detlef
      am 30.10.2023
      Danke für die Erklärung dazu, was Mörtel ist! Ich suche momentan Verlegemörtel und wundere mich was die Unterschiede sind. Das war schon sehr verständlich vermittelt auch im Zusammenhang mit der Brücke.

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