Polymere als optische Bauteile

 

100 Jahre Makromolekulare Chemie

Optische Polymere – jeder kennt sie. Es sind hochreine Kunststoffe für optische Bauteile. Man könnte fast glauben, dass im technischen Spritzguss alles hergestellt werden kann, so vielfältig sind die Formen: Wir kennen dicke Linsen für LED-Scheinwerfer ebenso wie winzige Mikrolinsen, große Streuscheiben für Lampen ebenso wie Abdeckscheiben für moderne Touch-Displays. 
Dieser Beitrag beleuchtet die aktuellen neuen Anforderungen an optische Polymere – und da gibt es eine echte Überraschung: Sie sollen nun für das Auge undurchsichtig („opak“) sein, dafür aber für andere Strahlung außerhalb des sichtbaren Spektrums durchlässig („transparent“). Um welche Strahlung es sich dabei handelt, wie die Antwort der Polymerchemie aussieht und was Sensoren für autonome Fahrzeuge damit zu tun haben, betrachten wir im Folgenden.

Mobilität – Treiber für neue Technologien

Die Zukunft auf unseren Straßen wird autonom und elektrisch sein. Selten war die Zukunft genauer festgelegt, möchte man meinen. Auf der technischen Seite ist das Gegenteil der Fall: Neue Schlüsseltechnologien müssen noch entwickelt, Anforderungskataloge geschrieben und globale Standards definiert werden. Klingt kompliziert – ist es auch. Sensoren sind dabei im Brennpunkt der Entwicklung. Denn sie sind sozusagen die Augen des Fahrzeugs. Die Sensoren müssen immer und sogar besser funktionieren als menschliche Augen: Sie sollen z.B. mindestens 200 Meter weit räumlich sehen, einen 360°-Rundumblick bieten, Objekte auch bei Nacht und Nebel erkennen sowie präzise Bewegungsvektoren erstellen können. 
Das Ziel der Autobauer lautet: Mehr Sensoren, leistungsfähigere Sensoren, kleinere und leichtere Sensoren – Eine Herausforderung und Chance zugleich für innovative Materialhersteller und alle Zulieferer. 

RADAR und LiDAR

Auf welche Techniken setzen die Autohersteller nun? – Auf die bekannten Knopfkameras, kombiniert mit besserem Fernbereichsradar und neuem Lichtradar („LiDAR“). Die Sensoren können überall am Auto angebracht werden, z.B. im Grill, Scheinwerfer, Stoßfänger oder Dachbereich. Jeder Sensor soll dabei hinter einer Abdeckung – Scheibe, Dom oder Linse – versteckt und geschützt werden. Abbildung 1 zeigt ein aktuelles Beispiel: Hier sieht man vom LiDAR-Sensor nur die schwarze Abdeckung. Er ist zentral im Frontend des Autos platziert und schickt unsichtbare ungefährliche Laserstrahlen aus, um die Umgebung zu scannen. Diese Abdeckung muss natürlich für die Sensorsignale durchlässig und verzerrungsfrei sein. In der Sprache der Optik: Transparent, nicht streuend und Wellenform erhaltend; gerne auch aerodynamisch geformt, groß und leicht, dauerhaltbar, schlagzäh und bruchsicher. Diesen komplexen Anforderungskatalog aus Optik, Mechanik und Form erfüllen nur thermoplastische Kunststoffe, insbesondere Polycarbonate.

Polycarbonat – erste Wahl für Sensorabdeckungen?

Wenn besonders hohe mechanische Festigkeiten und hohe Temperaturbeständigkeiten gefordert werden, ist das Polymer oft Polycarbonat. Gilt das auch für die Optik? Ja – Die Revolution beim Design von Autoscheinwerfern ist wahrscheinlich das beste Beispiel für den Einsatz von Polycarbonaten in optischen Teilen: Kollimatorlinsen in Scheinwerfern müssen besonders hohe Wanddicken haben. Üblicherweise liegen diese zwischen 15 und 30 mm, manchmal sogar darüber. Solche schwierigen Formen lassen sich mit Polycarbonat-Spritzguss ebenso darstellen wie die großen dreidimensional geformten Scheinwerferabdeckungen. Die Industrie kennt also Polycarbonat gut. So bietet z.B. Covestro maßgeschneiderte Makrolon® Polycarbonat-Typen an. Seit Neuestem gibt es auch sensortransparentes Makrolon®, das für die strengen Transmissionsanforderungen der Sensoren spezifiziert ist. 

Infrarot- und Mikrowellenstrahlung

Abbildung 2 zeigt beispielhaft das Transmissionsspektrum von Makrolon® mit sensortransparenter Einfärbung: Im Wellenlängenfenster von 400 nm bis ca. 700 nm liegt die Transmission der 2 mm dicken Platte nahe bei null. Da das zum sichtbaren Spektrum gehört, erscheint dieser Prüfkörper schwarz. Farbstoffchemiker haben Rezepturen und Masterbatches entwickelt, die eine gut definierte und sehr steile Flanke im Spektrum haben, so dass schon ab ca. 800 nm das volle Transmissionsniveau erreicht wird. Dies ist bereits im nahen Infrarot-Bereich, also im Arbeitsbereich des LiDAR-Sensors, der typischerweise um 905 nm liegt. Diese Art von Abdeckung ist folglich maximal durchlässig für das Infrarotlicht, das der Sensor aussendet und empfängt, aber schützt den Detektor zugleich vor kurzwelligem Streulicht aus der Umgebung. Makrolon® ist damit automatisch auch kompatibel zu Infrarotkameras, die im gleichen Spektralbereich arbeiten. Makrolon®-Bauteile für Außenanwendungen sind immer mit Schutzlacken versehen. Diese Schutzlacke erhöhen durch ihren niedrigen Brechungsindex sogar die Transmission von LiDAR-Abdeckungen.
Hohe Transmission messen wir auch für den RADAR, der ja Mikrowellenstrahlung im GHz-Bereich emittiert und detektiert. Das Polcarbonat- und Polcarbonat-Blend-Portfolio von Covestro bietet viele für RADAR-Wellen durchlässige Typen und verschiedenste Farbeinstellungen an. Autodesigner können sich darüber freuen, dass sogar mehrere Sensoren und Sensortypen gemeinsam hinter geschlossenen Polycarbonat-Abdecklungen verbaut werden können.

Werte schaffen

Die Polymerchemie schafft damit auch Werte – für ihre Kunden und den Endkunden. Und wie erreicht sie das? – Mit Polycarbonat als zentralen Werkstoff und mit Beschichtungen und Klebstoffen, die Sensoren effizienter, haltbarer und die Fahrzeuge schöner machen. Das heißt also durch Innovation und Nachhaltigkeit, die auf Leichtbau, Aerodynamik, einfache Produktion und effizientes Recyceln setzt für einen niedrigen Energieverbrauch und CO2-Ausstoß. 

Zusammenfassung

Sensortransparente Kunststoffe sind der Wegbereiter für teil- und vollautonome Autos, die viele leistungsstarke, kompakte und leichte Umfeldsensoren brauchen. Die Tatsache, dass Elektroautos weniger Kühlluft benötigen und neue geschlossene Grillelemente möglich werden, unterstützt die Entwicklung aerodynamischer und optisch ansprechender sensorischer Karosserieformen.

Autor: Dr. Rainer Hagen (Covestro Deutschland AG, D-51368 Leverkusen)
Redaktionelle Bearbeitung: Lisa Süssmuth, GDCh

Die Makromolekulare Chemie feiert in diesem Jahr hundert Jahre. Jeder von uns ist Makromolekülen schon begegnet, zum Beispiel in Form von Kunststoff. Zum Jubiläum zeigen unsere Beiträge dieses Jahr, wo Makromoleküle vorkommen.

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