Polyetherblockamid - Der Wandlungskünstler

 

100 Jahre Makromolekulare Chemie

Polyetherblockamide (PEBA) sind thermoplastische Elastomere mit einem breiten Anwendungsraum von Sportschuhen über Automobilleitungen bis hin zu medizinischen Anwendungen. Im Jahr 1979 hat Evonik vom Chemiepark Marl aus das thermoplastische Elastomer unter dem Markennamen VESTAMID® E zum ersten Mal auf den Markt gebracht. Dass man vier Jahrzehnte später das Material in Pulverform für additive Fertigung einsetzen würde, konnte damals kaum jemand erahnen. Der Hochleistungskunststoff überzeugte durch exzellente Kälteschlagzähigkeit, Chemikalienbeständigkeit, hohe Elastizität und gutes Rückstellverhalten. Es ließ sich leicht verarbeiten, einfärben oder überspritzen. Der thermoplastische Werkstoff bot von Anfang an eine einzigartige Balance der Eigenschaften, die eine designfreie Realisierung von anspruchsvollen Anwendungen ermöglichte. 

PEBA in der Sportindustrie

Leistung und Design sind essenzielle Attribute der Sportindustrie. Die Polyamid (PA) 12-Elastomer-Formmassen wurden schnell als das Material der Wahl etwa für Sportschuhsohlen, Ski-Touren- und Bergschuhe oder später als dekorative Schutzfolien für Skier und Snowboards erkannt.  

Ski- oder Bergschuhe aus PEBA sind bis heute leicht, wasserdicht und verschleißfest. In der Kälte behalten sie gute Flexibilität. Aufgrund der ausgezeichneten mechanischen Eigenschaften kann man das Hochleistungsmaterial bei der Bestimmung der Wanddicke der Schuhe effizient einsetzen, wodurch sich die Herstellungskosten optimieren lassen.  

Auch Sportschuhe müssen hart im Nehmen sein, das heißt, der Hochleistungskunststoff muss höchsten mechanischen Beanspruchungen genügen - sowohl statischen als auch wechselnden. Die Schuhe müssen Leichtigkeit vermitteln: Das verleiht dem Sprinter Flügel, dem Weitspringer Rückenwind und dem Langläufer leichte Beine. Zudem müssen sie Umwelteinflüsse wegstecken. Sportliche Höchstleistungen werden sowohl bei extrem niedrigen Temperaturen von bis zu -40 °C abverlangt als auch bei extremer Hitze. Dabei müssen auch Temperatursprünge entsprechend berücksichtigt werden.

Diese Eigenschaften können mit PA 12-Elastomeren erreicht werden. Als Blockcopolymere aus harten PA 12-Segmenten und weichen Polyether-Segmenten verbinden sie Stabilität mit Flexibilität (Abbildung 1). Die PA 12-Segmente gewährleisten auch bei kaltem Wetter Dimensionsstabilität, Schlagfestigkeit und Kerbschlagzähigkeit, sowie eine hohe Chemikalienbeständigkeit. Die Polyether-Segmente sorgen für eine gute elastische Erholung, so dass Schuhsohlen den Aufprall gut absorbieren und die Gelenke schützen. Dieses Basismaterial wird in Zusammenarbeit mit Kunststoffverarbeitern, Sportartikelherstellern und Sportlern an die individuellen Anforderungen des einzelnen Sports maßgeschneidert, etwa bei Modifikationen von hart bis weich. Die spezifische Härte wird dabei nicht wie bei herkömmlichen Kunstoffen durch Weichmacher, sondern durch die Einstellung zwischen den Anteilen an Ether- und Polyamid-Gruppen individuell erreicht. Dies erklärt, warum Fußballspieler, Basketballspieler, Baseballspieler, Rugbyspieler, Golfer, Sprinter, Radfahrer oder Wintersportler PEBA unter den Füßen zu schätzen wissen. Aufgrund seiner geringen Dichte ist das Material zudem extrem leicht: In einem 90-minütigen Fußballspiel bedeutet es etwa 100 Kilogramm weniger Gewicht, dass ein Spieler in der Summe seiner Schritte tragen muss im Vergleich zu anderen Sohlenmaterialien. Dies spart Energie und erhöht die Ausdauer. 
 

PEBA in der Automobilindustrie und Medizintechnik

Zeitgleich mit den ersten Anwendungsfeldern in der Sportindustrie fand der thermoplastische Werkstoff Einsatz in der Automobilindustrie, als Material für Druckschläuche im Innenrohr sowie im Mantel. Sehr gute Schlagzähigkeit bei tiefen Temperaturen und im trockenen sowie feuchten Zustand zeichnen PA 12-Elastomere bis heute besonders aus.

Auch in der Medizintechnik finden PA12-Elastomere Anwendungen, denn hier ist die Auswahl des richtigen Materials besonders entscheidend: Die Materialien müssen höchsten Qualitätsansprüchen gerecht werden, beständig gegen aggressive Chemikalien und Pharmazeutika sein und beispielsweise nach einer Sterilisation hohen mechanischen Anforderungen genügen. Nicht zuletzt müssen sich Hochleistungsmaterialien für den medizinischen Einsatz ausgezeichnet verarbeiten lassen, um etwa filigrane Geometrien für minimal invasive Geräte oder passgenaue Verbindungselemente zu ermöglichen. So werden PEBAs zum Beispiel in verschiedenen Teilen von Kanülen eingesetzt – vom flexiblen Distalende mit niedrigem Modul, um ein nicht-traumatisches Einsetzen zu ermöglichen, bis hin zum proximalen Ende, wo ein hohes Modul zur Übertragung von Kraft und Drehmoment notwendig ist.
 

PEBA im 3D-Druck

Auch im 3D-Druck überzeugen PEBAs durch die Kombination von hoher Elastizität und Festigkeit und können in unterschiedlichen 3D-Druck-Prozessen eingesetzt werden (Abbildung 2). 3D-gedruckte Bauteile aus dem neuen PEBA-Pulver weisen eine hohe Flexibilität, sehr gute Chemikalien- und hohe Dauergebrauchsbeständigkeit über ein breites Temperaturfenster von -40 °C bis 90 °C auf. Das Pulver eignet sich hervorragend für die Herstellung funktioneller 3D-Hightech-Kunststoffteile – sowohlfür Prototypen als auch für Serienprodukte – und kann in unterschiedlichen pulverbasierten 3D-Druck-Technologien wie Selektives Lasersintern (SLS), Highspeed-Sintern (HSS) oder Multi Jet Fusion™ eingesetzt werden – allesamt neue Fertigungstechnologien, die erst einige Jahre nach der Markteinführung von PA12-Elastomeren erfunden werden sollten.

Autoren: Janusz Berger, Kathrin Salwiczek, Klaus Hülsmann (Evonik Resource Efficiency GmbH)
Redaktionelle Bearbeitung: Lisa Süssmuth, GDCh

Die Makromolekulare Chemie feiert in diesem Jahr hundert Jahre. Jeder von uns ist Makromolekülen schon begegnet, zum Beispiel in Form von Kunststoff. Zum Jubiläum zeigen unsere Beiträge dieses Jahr, wo Makromoleküle vorkommen.

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