Konjugierte Polymere: Von elektrisch leitenden Kunststoffen bis zur Optoelektronik
100 Jahre Makromolekulare Chemie
Kunststoffe sind seit langem für ihre Lösungsverarbeitung, ihr geringes Gewicht, ihre Haltbarkeit, Flexibilität und ihre ausgezeichneten thermischen und elektrischen Isoliereigenschaften bekannt. Massenkunststoffe wie beispielsweise Polyethylen, Polypropylen und Polyvinylchlorid sind für elektrische Isolier- und Verpackungsanwendungen weit verbreitet. Die bahnbrechenden Entdeckungen der drei herausragenden Wissenschaftler MacDiarmid, Heeger und Shirakawa im Jahr 1977, dass eine selektive Gruppe dotierter Polymere, die eine delokalisierte π-Konjugation besitzen, wie Metalle leiten kann, haben jedoch die Sicht auf Polymere grundlegend verändert – von isolierenden „Kunststoffen“ zu „elektrisch (halb-)leitenden Funktionsmaterialien“ [1].
Das wesentliche Strukturmerkmal für ein (halb-)leitendes Polymer ist, dass es ein erweitertes π-konjugiertes System (abwechselnde Einfach- und Doppel-(dreifach-)bindungen) aufweisen sollte, wie für Polyacetylen in Abb. 1 gezeigt. Solche Polymere mit diesem besonderen Strukturmerkmal werden als konjugierte Polymere (CPs) bezeichnet. Eine geeignete Oxidation oder Reduktion eines solchen konjugierten Polymers kann dann zur Bildung von mobilen Ladungsträgern führen, die sowohl entlang der Polymerkette als auch zwischen den Ketten wandern und einen Polymerfilm elektrisch leitfähig machen, was in Abb. 1 schematisch dargestellt ist.
Historisch gesehen war es die zufällige Oxidation von Polyacetylen mit Halogendämpfen durch die Gruppe von Shirakawa, die isolierendes Polyacetylen in elektrisch leitendes Polymermaterial umwandelte. Diese bahnbrechende Entdeckung des leitenden Polyacetylens im Jahr 1977 wurde durch die Verleihung des Nobelpreises für Chemie im Jahr 2000 anerkannt.
Erste Demonstrationen von potenziellen Anwendungen
So lag der Schwerpunkt der Entwicklung konjugierter Polymere in den 1970er bis 1980er Jahren in Bereichen, in denen hochleitende konjugierte Polymere benötigt wurden, hauptsächlich zur Erforschung von CPs als Elektrodenmaterialien. Hochleitende Polymere, die durch Dotierung von Polyacetylen (PA), Polyanilin (PANI), Polypyrrol(PPy), Poly(paraphenylen)(PPP), Poly(paraphenylenvinylen) (PPV), Polythiophen (PT) und Poly(-3, 4-Ethylendioxythiophen) (PEDOT) erhalten wurden, besitzen einfache Wiederholungseinheiten und C-C-Bindungen. Diese Polymere können leicht aus kommerziell erhältlichen Ausgangsmaterialien hergestellt werden und waren in den frühen Phasen des Forschungsfeldes Stand der Technik. Sie werden heute als erste Generation von CPs bezeichnet.
Ende der 1980er Jahre bis ins Jahr 2000 verlagerte sich der Schwerpunkt auf dem Gebiet der konjugierten Polymere von der Suche nach metallischen Polymeren über die Dotierung hin zur Einführung undotierter CPs als Halbleiter in neue Bereiche der organischen Optoelektronik wie Transistoren, Leuchtdioden, Solarzellen und mehr.
Nachdem Francis Garnier et al. vom CNRS, Frankreich [2] über den ersten vollständig organischen Feldeffekttransistor (OFET) berichteten, wurden Polymertransistoren mit konjugierten Polymeren als Halbleiterschichten intensiv erforscht, und zwar wegen der einzigartigen flexiblen Eigenschaft des Transistors: Der Transistor funktioniert noch, wenn er gebogen wird! Die ersten Schritte in Richtung Polymertransistoren wurden bereits von Burroughes et al. unternommen, wo sie eine Vorläufer-Polymer-Route 'Durham-Precursor-Route' benutzten, um dünne, reine Halbleiterschichten aus Polyacteylen in einem Metall-Isolator-Halbleiter-Feldeffekttransistor (MISFET) zu ermöglichen [3].
Ein weiterer wichtiger Durchbruch auf dem Gebiet der organischen Technologien kam mit der Realisierung von konjugierten Polymeren als Emitter und Ladungstransportmaterial in Elektrolumineszenzbauelementen und Organische-lichtemittierende-Diode(OLED)-Anzeige. Die Injektion eines Elektrons und eines Lochs in die konjugierte Kette kann zu einem selbstlokalisierten angeregten Zustand führen, der dann strahlend zerfallen kann, was zu Elektrolumineszenz führt. Dies führte zur Geburt der ersten Leuchtdiode auf Polymerbasis, die erstmals von Burroughes et al. im Jahr 1990 demonstriert wurde, als Poly(p-Phenylenvinylen) als lichtemittierende aktive Schicht in einer LED verwendet wurde. [4]
Ära der Kunststoffelektronik
Diese ersten Entwicklungen läuteten eine neue Ära der Kunststoffelektronik ein, in der polymere Halbleiter in die konventionellen Halbleitertechnologien eintraten, die Hochburgen der etablierten anorganischen Halbleiter wie Silizium waren. Bald, 1992, berichteten Sariciftci et al. über eine Polymer-Heteroübergangssolarzelle mit Fulleren (C60) und einem konjugierten Polymer (MEH-PPV: Poly[2-methoxy-5-(2-ethylhexyloxy)-1,4-phenylenvinylen]). [5]. Darauf folgte eine Bulk-Polymer-Heteroübergangszelle, über die Yu 1995 berichtete. [6] Im selben Jahr demonstrierten Halls et al. effiziente Photodioden unter Verwendung von Mischungen aus zwei konjugierten Polymeren, MEH-PPV und CN-PPV. [7]
Die nächsten zwei Jahrzehnte von 1990 bis 2010 brachten enorme Entwicklungen im Bereich des synthetischen Designs/Strategien und der Implementierung von neuartigen konjugierten Polymeren als aktive Materialien in OLEDs, OFETs, organischer Photovoltaik (OPVs) und in jüngerer Zeit in der Thermoektrik und Bioelektronik [8]. Durch das spezifische Design und die Synthese neuartiger konjugierter Polymere für eine gewünschte Anwendung und ein Maßschneidern der Art des Ladungstransports, wie z. B. elektronischer oder gemischt ionischer/elektronischer Transport, hat das Gebiet der konjugierten Polymere heute einen dramatischen Fortschritt erfahren [9]. Einerseits bieten hochdotierte leitende Polymere Möglichkeiten für Elektrodenmaterialien für diverse Anwendungen. Andererseits sind gut definierte konjugierte Polymerhalbleiter mit hoher Ladungsträgerbeweglichkeit für Dünnfilmtransistoranwendungen, OLEDs und OPVs nützlich.
In den letzten zwei Jahrzehnten hat die zweite Generation von konjugierten Polymeren, die auf der synthetischen Strategie der alternierenden Donor-Akzeptor(D-A)-Struktur basieren, neue Polymere mit niedriger Bandlücke und sehr hoher Ladungsträgerbeweglichkeit hervorgebracht, was den Bereich der OPVs völlig revolutioniert hat. In ähnlicher Weise sind konjugierte Polymere, die mit minimalem Verlust der Seebeck-Koeffizienten auf hohe elektrische Leitfähigkeiten dotiert werden können, für Anwendungen zur Umwandlung von Abwärmeenergie in Strom, wie z. B. in Thermoelektrikbauelementen, attraktiv. Polymer-Thermoelektrika sind insbesondere für Anwendungen mit geringer Leistung interessant, bei denen die inhärent niedrige Wärmeleitfähigkeit von Polymeren durch Dotierung optimal mit einer merklichen elektrischen Leitfähigkeit kombiniert werden kann. Darüber hinaus sind nicht-konventionelle Bauelementgeometrien und innovative Anwendungsfelder wie flexible und implantierbare Bauelemente realisierbar.
In jüngster Zeit erfreuen sich gemischte Ionen-Elektronen halbleitende Polymere, die sowohl Ionen als auch Elektronen leiten können, für bioelektronische Bauelemente wie Biosensoren eines enormen Interesses. Diese Bauelemente können biologische Prozesse mit der elektronischen Ausgabe in konventioneller Elektronik verbinden und können helfen, biochemische Veränderungen im Körper mit Hilfe implantierbarer Körpersensoren und Mikroelektroden zu analysieren und überwachen.
Insgesamt versprechen diese auf der Erde reichlich vorhandenen kohlenstoffbasierten Kunststoffe auf der Basis von konjugierten Polymeren viele hervorragende Eigenschaften in Bezug auf Leichtgewicht, Flexibilität und Dehnbarkeit gegenüber den harten, spröden anorganischen Halbleitern, die auf knappen Elementen als Ressourcen basieren. Darüber hinaus erlauben konjugierte Polymere verschiedene Variationen ihrer chemischen Strukturen, um ihre optoelektronischen Eigenschaften in einem sehr breiten Bereich maßzuschneidern. Vom Tag ihrer Entdeckung bis heute haben grundlegende Vorteile wie ihre mechanische Robustheit, Flexibilität, Bedruckbarkeit, Biokompatibilität und die Aussichten für großflächige, wirtschaftlich tragfähige Bauelemente die wissenschaftliche Gemeinschaft dazu motiviert, diese Systeme kontinuierlich zu verbessern, damit sie eines Tages für kommerziell nutzbare und innovative organische Technologien prägend werden.
Autoren: Dr. Mahima Goel und Prof. Dr. Mukundan Thelakkat,
Angewandte Funktionspolymere, Universität Bayreuth
Redaktionelle Bearbeitung: Maren Mielck, GDCh
Referenzen:
H. Shirakawa, E. Louis, A. G. Macdiarmid, C. K. Chiang, and A. J. Heeger. J.C.S. Chem. Comm., 1977, 578-580
F. Garnier, G. Horowitz, X. Peng and D. Fichou, Adv. Mater. 1990, 2, 592-594
J. H. Burroughes, C. A. Jones and R. H. Friend. Nature 1988, 335, 137-141
J. H. Burroughes, D. D. C. Bradley, A. R. Brown, R. N. Marks, K. Mackay, R. H. Friend, P. L. Burns and A. B. Holmes. Nature 1990, 347, 539-541
N. S. Sariciftci, L. Smilowitz, A. J. Heeger, and F. Wudl. Science 1992, 258, 1474-1476
G. Yu, J. Gao, J. C. Hummelen, F. Wudl, A. J. Heeger. Science 1995, 270, 1789-1791
J. J. M. Halls, C. A. Walsh, N. C. Greenham, E. A. Marseglia, R. H. Friend, S. C. Morattlt & A. B. Holmes. Nature 1995, 376, 498-500
M. Goel, C. D. Heinrich, G. Krauss, M. Thelakkat. Macromol. Rapid Commun. 2019, 40, 1800915
M. Goel, M. Siegert, G. Krauss, J. Mohanraj, A. Hochgesang, D.C. Heinrich, M. Fried, J. Pflaum, Mukundan Thelakkat. Adv. Mater. 2020, 2003596.
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