Wie funktioniert eine künstliche Niere?
Eine der wichtigsten Therapien für nierenkranke Patientinnen und Patienten ist die Dialyse oder „Blutwäsche“. Dabei übernimmt eine Maschine die Aufgabe der Nieren, wenn diese ihre Funktion nicht oder nur noch eingeschränkt erfüllen können.
Um die Funktionsweise der lebenserhaltenden Dialyse zu verstehen, befassen wir uns zunächst mit der Abtrennung von Stoffen aus einer wässrigen Phase mittels natürlicher oder künstlicher Membranen.
Was ist eine Membran?
Der Begriff Membran stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Häutchen. Im hier betrachteten Zusammenhang zeichnet sich eine Membran dadurch aus, dass sie für bestimmte Teilchen durchlässig ist und für andere nicht. Sie fungiert damit als eine Art Trennschicht.
Dialysemembranen lassen grundsätzlich nur kleine Moleküle durch, d.h. große Moleküle werden zurückgehalten. Dass kleine Moleküle durch eine Membran diffundieren können, liegt daran, dass die Polymerketten der Membran nicht dicht aneinander liegen, sondern durch eine partielle Knäuelstruktur gewisse Hohlräume bzw. ein „freies Volumen“ aufweisen, durch die ausreichend kleine Moleküle diffundieren können.
Woraus bestehen Membranen?
Natürliche Membranen wie zum Beispiel die Schweineblase, an der der Franzose Jean-Antoine Nollet im Jahr 1748 die Funktion der Osmose erforschte, bestehen hauptsächlich aus Proteinen. Aber auch Lecithin, ein mittelgroßes Molekül aus der Gruppe der Phospholipide, mit zwei langen Alkylketten und einer polaren Kopfgruppe, ist ein wesentlicher Bestandteil von Membranen, die in Lebewesen vielfältige Funktionen erfüllen.
Künstliche Membranen werden meist aus Polymeren z.B. aus Polyethersulfonen, Cellulosederivaten oder auch aromatischen Polyamiden hergestellt, die alle wasserbeständig sein müssen.
Für die technische Anwendung werden Membrane zu größeren Einheiten zusammengefügt. Es gibt folienartige Flachmembranen, die zu Modulen zusammengesetzt werden können und z.B. zur Meerwasserentsalzung eingesetzt werden. Membranschläuche sowie Hohlfasermembranen werden zu Bündeln zusammengefasst und kommen unter anderem als künstliche Nieren (s. unten) zum Einsatz.
Die Permeabilität (Durchlässigkeit) ist umgekehrt proportional zur Membrandicke. Mit anderen Worten: Je dünner die Membran, desto höher ist ihre die Permeabilität.
Mechanische Anforderungen an Membranen
Da Membranen einerseits sehr dünn sein müssen, andererseits aber auch eine gewisse mechanische Stabilität benötigen, werden sie in der Regel auf einem Trägermaterial aufgetragen. So besteht eine Membranfolie aus einer trennaktiven Membran, die auf einer porösen Folie aus einem festeren Material fixiert ist. Hergestellt werden kann die Membran z.B. aus einer Lösung, die über einer porösen festen Trägermasse steht. Aus den in der Flüssigkeit gelösten Molekülen, die sich auf der porösen Oberfläche ablagern, bildet sich dann eine dünne Membran mit einer sehr großen Oberfläche. Außerdem werden Verbundmembranen hergestellt, indem eine schaumartige Trägerfolie mit einer sehr dünnen trennaktiven Folie aus dem gleichen oder einem anderen Material beschichtet wird.
Trennprinzipien von Membranen
Die Funktionsweise von Membranen läßt sich sehr vereinfach dargestellt durch zwei Modelle beschreiben.
Porenmodell: Membranen können durch kleinste Löcher oder Poren wie ein Sieb wirken und die Partikel rein nach der Größe voneinander abtrennen. Je nach der Größe der Poren werden die wichtigsten Verfahren als Mikrofiltration, Ultrafiltration und Nanofiltration bezeichnet (Abb.1)
Lösungs-Diffusionsmodell: Hier stellt man sich die Membran als eine homogene Schicht vor, in der sich die unterschiedlichen Partikel wie in einer Flüssigkeit lösen und per Diffusion fortbewegen können. Je nach unterschiedlicher Löslichkeit und Beweglichkeit können verschiedene Teilchen voreinander getrennt werden (Abb.2).
Warum diffundieren Substanzen durch eine Membran?
Eine Diffusion kleiner Moleküle durch eine Membran kann zum Beispiel durch eine künstliche Druckdifferenz erzwungen werden. Dann wandern die kleinen Moleküle durch die Membran, während große Moleküle zurückgehalten werden. Diese Druckdifferenz wird durch Pumpen erzeugt, wobei der künstliche Druck höher sein muss als der osmotische Gegendruck.
Eine Membranwirkung kann auch durch Konzentrationsgradienten erzeugt werden. So wandern etwa die Wassermoleküle einer wässrigen Kochsalzlösung allein durch die osmotische Druckdifferenz von einem Kompartiment mit niedriger NaCl-Konzentration durch die Membran in ein Kompartiment mit hoher NaCl-Konzentration.
Anwendungsgebiete von Membrantrennungen
In der Technik werden Membranen zum Beispiel in Meerwasserentsalzungsanlagen eingesetzt, um das Trinkwasserproblem auf Schiffen und weltweit in Trockengebieten zu lösen. In der Medizintechnik wird die Membrantrennung vor allem bei der Dialyse in Form der sogenannten künstlichen Niere durchgeführt.
Membrantrennungen finden auch in der belebten Natur in großem Umfang statt. Nieren zum Beispiel trennen mit Hilfe von Eiweiß-enthaltenden Membranen Harnstoff und andere Stoffwechselprodukte aus dem Blut ab. Diese Stoffe werden dann mit dem Urin ausgeschieden.
Künstliche Niere mittels Hohlfasermembranen
Die künstliche Niere hat die gleiche Trennfunktion und besteht aus Hohlfasermodulen aus synthetischen Makromolekülen. Diese Module bestehen aus zahlreichen Hohlfasern, die zu Bündeln zusammengefasst sind und das Blut quasi filtern können. Die Hohlfaserbündel ermöglichen eine höhere Durchflussrate als Einzelfasern und verkürzen so die Anwendungszeit zum Vorteil des Patienten.
Konkret wird das Blut des Patienten durch die Hohlfasern geleitet, während außerhalb der Fasern eine wässrige Dialyselösung im Gegenstrom fließt. Durch die spezielle Membranstruktur werden Schadstoffe wie Harnstoff und überschüssige Elektrolyte aus dem Blut in die Dialyselösung gefiltert. Gleichzeitig werden lebenswichtige Substanzen im Blut zurückgehalten (Abb.3).
Das so gereinigte Blut wird dem Körper wieder zugeführt. Der Einsatz von Hohlfasermodulen als künstliche Niere ermöglicht es, die Funktionen einer gesunden Niere nachzuahmen und Patienten bei Nierenversagen oder Nierenerkrankungen zu unterstützen.
Die künstliche Niere ist eines von vielen Beispielen dafür, wie Kunststoffe dazu beitragen können, Leben zu retten und zu verlängern.
Der Beitrag wurde vom Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit der Seniorexperten Chemie, einer Fachgruppe der Gesellschaft Deutscher Chemiker, erstellt.
Autor: Prof. Dr. Helmut Ritter (bearbeitet durch kjs, Redaktion FaszinationChemie)
In unserer Rubrik „Chemie überall“ geht es um chemische Verbindungen oder chemische Verfahren, die wir im Alltag nutzen oder um Substanzen, die immer mal wieder in den Schlagzeilen sind. Die Beiträge in leicht verständlicher Form sind von Chemikerinnen und Chemikern geschrieben. Alle Beiträge der Reihe: https://faszinationchemie.de/chemie-ueberall
Bildnachweis Titelbild: Anna Frodesiak, Patient receiving dialysis 03, CC0 1.0
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