Vor wenigen Wochen ist die Deutschland die Fußball-Europameiserschaft zu Ende gegangen. Auch wenn es mit dem Titelgewinn für die deutsche Mannschaft nicht geklappt hat, war es ein fröhliches Fußballfest rund um den Ball. Und damit sind wir beim Thema, denn das Spielgerät, um das sich alles dreht, ist schon lange kein Lederball mehr wie früher, sondern ein chemisches Hightech-Produkt. Wir haben uns einen modernen Fußball einmal genauer angesehen.
Früher war im Fußball alles besser." Wirklich?
Ja schon, da war mehr Sport und weniger Geschäft. Aber: Was sagen die Fußballer von damals wie es war, wenn sie bei Regen Fußball gespielt haben, zum Beispiel mein Nachbar? "So ein nasser Ball hat auf der Stirn ganz schön weh getan! Und schwer war der! Nass geworden bin ich obendrein." Das "Leder" war früher nämlich aus Leder und saugte sich bei Regen voll mit Wasser.
Zumindest das ist heute besser. Die Oberfläche eines Fußballs ist inzwischen aus Kunststoff; sie besteht aus mehreren Lagen von – Achtung Chemie! – Polyurethanen. Polyurethan ist ein Polymer. Polymere sind ziemlich lange Ketten, submikroskopisch dünne, sehr lange Fäden. Sie werden durch chemische Verkettung von sehr vielen, kleineren Einheiten gebildet. Übrigens, Polyurethane kennt man auch von zahlreichen anderen Dingen des täglichen Lebens: Schaummatratzen, Autositzen, Bauschaum, Lacken, Klebstoffen und vielen anderen mehr1.
Unser Fußball-Polyurethan ist obendrein, genauer gesagt, ein Elastomer. Ein Stoff ist elastisch, wenn er sich durch Druck oder Zug verformen lässt. Er nimmt aber wieder seine ursprüngliche Form an, wenn der Druck oder Zug aufhört. Und genau das können die Elastomer-Fäden. Sie bilden ohne Zug eine Art Knäuel (A). Wenn man aber an den Fäden zieht, recken sie sich in Zugrichtung (B). Lässt der Zug nach, nehmen sie wieder die ursprüngliche Form an (A). An den roten Punkten in der Zeichnung unten sind die Fäden miteinander vernetzt2.
In modernen Fußbällen sind mehrere Lagen solcher Polyurethan-Elastomere miteinander verschweißt. Die innerste Schicht ist ein Schaum aus winzigen Kügelchen; sie ist für die Rückstellkräfte des Balls verantwortlich (in der Abbildung von B nach A). Die nächste Schicht ist ein Zweikomponenten-Polyurethan. Sie macht die Balloberfläche elastisch. Die äußerste Deckschicht ist ebenfalls aus Polyurethan und verhindert den Abrieb3. Die Folge: Der Ball ist perfekt rund (maximale Abweichung von der Kugelform ist 0,1 %!), und das "Leder" nimmt kein Wasser auf, ist also bei jedem Wetter gleich schwer. Ein Beispiel ist der "Telstar 18" von der Fußball-Weltmeisterschaft 20184.
Zur Euro 2008 wurde der "Europass" vorgestellt5, der erstmals eine "Gänsehaut"-Oberfläche hatte6. Sie machte den Ball griffiger und hatte besondere aerodynamische Eigenschaften. Damit sind wir bei der Flanke, wie sie seinerzeit "Bananenkönig" Manfred Kaltz vom HSV perfektionierte. Originalzitat von Horst Hrubesch: "Manni Banane, ich Kopf, Tor!" An der Oberfläche eines Fußballs greifen nämlich Chemie und Physik perfekt ineinander. In der Sprache der Physiker ist die Bananenflanke eine Folge des Magnus-Effekts, aber das ist eine andere Geschichte…7,8
Literatur:
Quelle: "Thermoplastische Elastomere" in Chemgapedia®, Wiley Information Services GmbH.
K. Kern, G. Hornung: Die Chemie des Fußballs, CHEMKON 2017, 24, 1-9
Wohin auch immer wir uns im Alltag wenden: überall gibt es spannende Wissenschaft und Technik zu entdecken. Das gilt auch für die Chemie. Mit einer Serie von Cartoons "Chemie ist, wenn…" machen wir auf alltägliche chemische Vorgänge aufmerksam. Zu jeder Zeichnung gibt es einen kurzen, allgemein verständlichen Text, der die jeweilige Chemie im Alltag erklärt und einige Links für weitere Informationen. Im Mittelpunkt der Zeichnungen steht unser freundliches Erlenmeyerchen. Die Cartoons werden von der Gruppe "Chemie ist..." entwickelt, einer Arbeitsgemeinschaft der Fachgruppe "Chemie und Gesellschaft". Die Zeichnungen stammen von Maike Hettinger.
Dieser Beitrag wurde auf FaszinationChemie erstmalig veröffentlicht am 05.02.2019
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