Flusssäure – nützlich und tückisch

 

Drei Menschen wurden verletzt, als vor einigen Jahren Unbekannte an mehreren Haltestellen rund um den Berliner Alexanderplatz Flusssäure verteilten. Da Flusssäure Glas ätzt, geht die Polizei davon aus, dass Graffiti-Sprayer sie zum Besprühen von Glasscheiben an Haltestellen und Anzeigenkästen verwendet haben. Damit haben sie nicht nur viele ahnungslose Menschen, sondern vor allem sich selbst in Gefahr gebracht.

Flusssäure kann tödlich sein

Beim Umgang mit dieser Säure ist höchste Vorsicht geboten. Die stechend riechenden Dämpfe sind giftig, können die Atemwege verätzen und Lungenödeme hervorrufen. Während der stechende Geruch der Flusssäure beim Einatmen warnt, ist ihre Wirkung über die Haut heimtückisch.

Ein Schmerz tritt oft erst nach mehreren Stunden auf. Flusssäure ist zwar eine schwache Säure, aber ein Kontaktgift; sie ist fettlöslich, wird deshalb über die Haut resorbiert und dringt in tiefer liegende Gewebsschichten bis hin zum Knochen vor. Die Folgen sind schlecht heilende Gewebsnekrosen und Störungen des Calcium- und Magnesium-Stoffwechsels, die zu systemischen Vergiftungen führen.

Unbehandelt kann bereits eine mehr als handtellergroße Verätzung der Haut tödlich wirken. Als Gegenmittel dient Calciumgluconat, ein Salz der mit Glucose verwandten Gluconsäure, das die Flusssäure als Calciumfluorid (CaF2) unschädlich macht.

Die Chemie hinter der Flusssäure

Flusssäure ist eine Lösung des Gases Fluorwasserstoff (HF) in Wasser. Fluor (F) ist das leichteste Element der Gruppe der Halogene, zu denen außerdem Chlor (Cl), Brom (Br), Iod (I) und das seltene Astat (At) gehören. Eine charakteristische Eigenschaft der Flusssäure ist ihre Fähigkeit, Glas zu ätzen. Dabei reagiert sie mit dessen Hauptbestandteil Siliciumdioxid (SiO2) zu gasförmigem Siliciumtetrafluorid (SiF4):

SiO2 + 4HF → SiF4 + 2H2O

Weil es mit Glas reagiert, kann Flusssäure nicht in Glasbehältern gehandhabt werden, vielmehr benötigt man Gefäße und Armaturen aus Polyethylen, Teflon, Kautschuk oder Blei.

Flusssäure – wofür?

Flusssäure wird zum Ätzen eingesetzt, zum Beispiel in der Glasmalerei und der Halbleiterindustrie. Der größte Teil wird zum Herstellung von Fluorkohlenstoffen und bei der Metallgewinnung und –verarbeitung benötigt. Technisch erzeugter Fluorwasserstoff wird außerdem für die Uranisotopentrennung in Uranzentrifugen gebraucht.

Flusssäure aus der Natur

Die Industrie gewinnt Fluorverbindungen vor allem aus der Natur durch Abbau von Calciumfluorid (CaF2), als Mineral nennt man es Flussspat. Der Name Flussspat basiert auf der seit  Jahrhunderten genutzten Verwendung als Flussmittel für Erze. Als solches setzt es deren Schmelzpunkte herab, wodurch diese leichter verflüssigen. Davon leitet sich auch der Name für das Element ab, fluor (lat.) = Fluss.

Sowohl im Labor als auch technisch lässt sich Fluorwasserstoff aus Flussspat gewinnen, indem man es mit konzentrierter Schwefelsäure bei hoher Temperatur versetzt.

Fluoride für die Zähne

Die Salze der Flusssäure sind die Fluoride. Während Flusssäure (s. oben) giftig ist, stabilisieren moderate Mengen an Fluoriden die Knochen. Außerdem macht Fluorid unsere Zähne stabiler, indem Fluorid-Ionen in Hydroxylapatit, dem Hauptbestandteil der Zähne eingebaut werden. Deshalb enthalten die meisten Zahnpasten organische Fluoride, die Aminfluoride.

Fluoride darf man also weder mit Flusssäure verwechseln noch mit dem gasförmigen Fluor (F2). Die verwendeten Mengen von Fluoriden in Zahnpasten sind unschädlich, selbst wenn man versehentlich die Zahnpasta nach dem Zähneputzen mal verschluckt anstatt sie auszuspucken.

Der Beitrag wurde vom Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit der Seniorexperten Chemie, einer Fachgruppe der Gesellschaft Deutscher Chemiker, erstellt. 

Autor: Prof. Dr. Jörn Müller (bearbeitet durch Luca Blicker und kjs, Redaktion FaszinationChemie)


In unserer Rubrik „Chemie überall“ geht es um chemische Verbindungen oder chemische Verfahren, die wir im Alltag nutzen oder um Substanzen, die immer mal wieder in den Schlagzeilen sind. Die Beiträge in leicht verständlicher Form sind von Chemikerinnen und Chemikern geschrieben. Alle Beiträge der Reihe: https://faszinationchemie.de/chemie-ueberall

Titelbild: AlcinoeFluorapatite HMNH1, (Wikimedia Commons, gemeinfrei)

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