Wie helfen mRNA-Impfstoffe gegen Coronaviren?
Direkt nach Weihnachten 2020 erfolgte in Deutschland und den anderen EU-Mitgliedstaaten der Impfstart mit einem völlig neuen Impfstoff gegen Corona auf mRNA-Basis – dem Wirkstoff BNT162b2 von den Pharmaunternehmen BioNTech und Pfizer. Ein Meilenstein im Kampf gegen das Coronavirus, ein großer Erfolg aber auch für die forschenden Pharmaunternehmen bei der Entwicklung eines Impfstoffes, der gegen die Erkrankung mit COVID-19 schützen soll.
Die European Medicines Agency (EMA) ebnete den Weg für die erste Marktzulassung eines Covid-19-Impfstoffs in der Europäischen Union mit allen damit verbundenen Sicherheitsvorkehrungen, Kontrollen und Verpflichtungen. Die Wirksamkeit wurde bei über 40.000 Personen ab 16 Jahren ermittelt. Die Studie zeigte eine 95-prozentige Reduktion der Anzahl der symptomatischen Covid-19-Fälle bei den Personen, die den Impfstoff erhielten, im Vergleich zu Personen, die ein Placebo erhielten. Ob der Impfstoff die Infektion verhindert oder nur den Ausbruch der Krankheit, ist bisher noch nicht geklärt. Doch wie konnte es zu dieser für Medikamente extrem schnellen Entwicklung und Zulassung kommen? Was ist das für ein Wirkstoff, mit dem eine flächendeckende Immunisierung der Bevölkerung erreicht werden soll?
Neue Methode: mRNA-Technologie
Der Impfstoff basiert auf einer neuartigen Methode, der sogenannten mRNA-Technologie. RNA ist die Abkürzung für Ribonucleic Acid (auf Deutsch Ribonucleinsäure, RNS) und mRNA steht für messenger-RNA bzw. Boten-RNA. Bei der Impfung mit der mRNA-Technologie werden unserem Körper keine Krankheitserreger oder deren Bestandteile gespritzt, wie etwa bei der Grippeimpfung. Vielmehr werden einigen wenigen Körperzellen mit dem Impfstoff Teile der Erbinformation des Virus verabreicht – also quasi der Bauplan für einzelne Virusproteine, die auch als Antigene bezeichnet werden. Diese Antigene aktivieren dann das Immunsystem und erzeugen so die schützende Immunantwort.
Bei einem späteren Kontakt der geimpften Person mit SARS-CoV-2 erkennt das Immunsystem das Antigen wieder und kann das Virus gezielt bekämpfen. Dr. Matthias Braun, Geschäftsführer Pharmazeutische Produktion & Fertigung bei Sanofi Aventis Deutschland, erklärte dies Mitte Dezember 2020 auf einer Online-Diskussion von „Ihre Chemie“ (Corona-Impfstoff: Ist schnell sicher genug?) so: „Bei mRNA übernimmt der Körper die Produktion des Antigens selbst, während er bisher mit Antigenen geimpft wurde, und dann eine Immunabwehr dagegen aufgebaut hat, um den Fremdling ‚platt zu machen‘. Ich sage meiner Körperzelle nun ‚Bitte produziere diese Peptidsequenz‘, die dann vom Körper als Fremdling erkannt und bekämpft wird.'“
Ganz wichtig dabei ist: Die mRNA der RNA-Impfstoffe wird nach kurzer Zeit von den Zellen abgebaut. Sie wird nicht in DNA umgebaut. Die mRNA tritt somit nicht mit dem menschlichen Erbgut in Kontakt und kann unser Erbgut nicht verändern.
Ohne Schutzhülle geht es nicht
Die künstlich im Labor hergestellte mRNA ist sehr empfindlich und braucht eine Schutzhülle. Deswegen umhüllt man die mRNA mit Lipid-Nanomolekülen, um sie solange zu schützen, bis sie an ihrem Wirkungsort im Körper angekommen ist. Die Nanomoleküle bestehen aus speziellen Fettmolekülen, genauer gesagt aus ALC-0315 (4-Hydroxybutyl)azandiyl)bis(Hexan-6,1-diyl)bis(2-hexyldecanoat) oder aus ALC-0159 (2-[(Polyethylenglykol)-2000]-N,N-ditetradecylacetamid). Das sind natürliche Stoffe, die auch in den Zellbestandteilen vorkommen und sehr schnell im Körper abgebaut und ausgeschieden werden. Studien haben gezeigt, dass die Lipid-Nanopartikel nicht zellschädigend sind und keine Gefahr für den menschlichen Körper darstellen.
Von der Schutzhülle hängt auch ab, bei welcher Temperatur die mRNA-Impfstoffe gelagert und transportiert werden müssen: Während der BioNTech-Impfstoff bei extrem niedrigen –70 °C gekühlt werden muss, um seine Wirksamkeit zu erhalten, genügen beim mRNA-Produkt von amerikanischen Pharmakonzern Moderna wegen einer dickeren Fettschutzhülle bereits –20 °C. Der Moderna-Impfstoff wurde Anfang Januar 2021 ebenfalls von der EMA für die Europäische Union zugelassen.
Der neue Impfstoff wird in zwei Injektionen in den Arm im Abstand von mindestens 21 Tagen verabreicht. Die häufigsten Nebenwirkungen aus den klinischen Studien waren in der Regel leicht oder mäßig und besserten sich innerhalb weniger Tage nach der Impfung. Dazu gehörten Schmerzen und Schwellungen an der Injektionsstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Schüttelfrost und Fieber. Allerdings traten bei ersten Impfungen in Großbritannien und in den USA bei einigen Geimpften starke allergische Reaktionen auf. Diese traten meistens bei Personen auf, die auch bei anderen Auslösern allergische Reaktionen gezeigt haben. Menschen, die zu allergischen Reaktionen neigen, sollten sich also vor einer Impfung mit dem Arzt beraten.
Schnelle Impfstoffzulassung
Das Besondere an dem Impfstoff ist nicht nur der mRNA-Wirkstoff, sondern auch die schnelle Entwicklung, Produktion und Zulassung. Der ganze Prozess erfolgte über zehnmal schneller als bei einer konventionellen Medikamentenentwicklung. Möglich wurde dies auch durch staatliche finanzielle Absicherung. So konnten sich die forschenden Unternehmen nahezu ausschließlich auf die Entwicklungsschritte fokussieren und viele Schritte schon parallel angehen, die sonst in der üblichen Entwicklungsstrategie eines neuen Medikaments aufeinanderfolgen. Diese Komprimierung unter Pandemiebedingungen war letztlich ausschlaggebend, dass von der Entwicklung über die klinischen Studien I-III bis zur Zulassung weniger als ein Jahr benötigt wurde.
Die Coronapandemie hat eine globale Bündelung der Kräfte und Ressourcen der an der Impfstoffentwicklung Beteiligten bewirkt, Entwicklungs- und Zulassungsprozesse wurden effizienter gestaltet und die Produktion konnte schon parallel aufgesetzt werden, ohne Abstriche bei der Sorgfalt zu machen. Ein Rolling-Review-Verfahren für die Zulassung erlaubte den Impfstoffherstellern beispielsweise frühzeitig – noch während der klinischen Phase-3-Prüfung – einzelne Datenpakete zur Vorab-Bewertung für die Zulassung vorzulegen und Fragen, die sich während der regulatorischen Antragsbewertung stellen, zu beantworten.
Der Bewertungsprozess startet somit deutlich früher. Vorteilhaft war zudem, dass durch frühere Pandemien (wie der SARS-Coronavirus 2002/2003) zu Coronaviren zahlreiche bioanalytische Studien vorlagen, die geholfen haben, das neue Virus schnell zu verstehen und zu entschlüsseln und somit die passenden Wirkstoffe effektiv zu entwickeln.
Weitere Informationen zum aktuellen Stand der Impfforschung und zu Fragen rund um das Coronavirus:
Verband der forschenden Arzneimittelhersteller
Impfstoffe gegen Coronavirus – aktueller Entwicklungsstand | vfa
Paul-Ehrlich-Institut
Paul-Ehrlich-Institut - Coronavirus und COVID-19 (pei.de)
Robert-Koch-Institut
RKI - Infektionskrankheiten A-Z - COVID-19 (Coronavirus SARS-CoV-2)
BioNTech
https://biontech.de/covid-19-portal/mrna-vaccines
Eine Übersicht zu Impfungen allgemein bietet der Beitag Was bewirkt Immunisierung und wie funktionieren Impfstoffe?
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