Was ist eigentlich Opium?

 

Opium, ein Gemisch aus etwa 40 verschiedenen Stoffen, hat eine faszinierende Geschichte. Es war eines der ersten als Schmerzmittel eingesetzten Naturstoffe und wird heute noch in der Medizin verwendet. Opium hat aber auch viel Leid über unzählige Menschen gebracht und sogar zu Kriegen geführt.

„Der Stein der Unsterblichkeit!“

Der Schweizer Arzt und Alchemist Paracelsus [Theophrastus von Hohenheim (1493-1541)], der die Alchemie für die Medizin nutzbar machte (Iatrochemie), vermutete, in der Opiumtinktur den „Stein der Unsterblichkeit“ und somit ein Allheilmittel gefunden zu haben. 

Die Opiumtinktur, eine alkoholische Lösung von Rohopium, wurde bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts unter dem Namen Mohnsaft oder Laudanum als Schmerz- und Beruhigungsmittel eingesetzt. Opium ist aber auch ein Rausch- und Betäubungsmittel. 

Noch heute als Medikament verwendet

Heute wird die Opiumtinktur vor allem zur Behandlung schwerer Durchfallerkrankungen eingesetzt, die beispielsweise während einer Tumortherapie auftreten und sich mit anderen Wirkstoffen nicht wirksam behandeln lassen. Früher war der Begriff „Laudanum“ häufig synonym mit einem frei verkäuflichen Stoffgemisch, das starke Schmerzen lindern kann. 

Eine alkoholische Lösung von Opium (Opiumtinktur) ist im Europäischen Arzneibuch enthalten, einem Regelwerk, das Standards für die Qualität von Arzneimitteln und Arzneistoffen in Europa festlegt. Indikation des Präparates ist die Ruhigstellung des Darmes bei schweren Diarrhoen, wenn andere Wirkstoffe nicht zum Therapierfolg geführt haben. In Deutschland unterliegt Opium dem Betäubungsmittelgesetz. Bei fortgesetzter Einnahme besteht eine große Gefahr der Toleranzentwicklung, also der Gewöhnung an den Wirkstoff, dessen gewünschte Wirkung dann immer weiter abnimmt. 

In Schriftstellerkreisen war es vor über einhundert Jahren eine Modeerscheinung, durch den Genuss der Opiumtinktur die kreativen Fähigkeiten zu steigern. Das Getränk bestand damals zu 90% aus Wein, zu 10% aus Opium und enthielt zusätzlich noch aromatisierende, aber durchaus bedenkliche Kräuter wie die gemeine Alraune, das Bilsenkraut oder die Tollkirsche.

Die Chemie von Opium

Was ist eigentlich Opium? Rohopium ist ein Gemisch, das ungefähr 40 verschiedene Alkaloide enthält. Mit 2 bis 23 % ist das schmerzstillende Morphin die Hauptkomponente des Opiums und für seine schmerzlindernde Wirkung verantwortlich. 

(Mehr zur Struktur von Morphin sowie dessen Isolierung wird im Beitrag zu Morphin behandelt, der in Kürze hier auf FaszinationChemie veröffentlicht wird.)

Zu den im Opium enthaltenen Morphin-Derivaten gehört auch dessen Methylether, das hustenstillende Codein. Darüber hinaus enthält der Milchsaft noch Isochinolin-Alkaloide wie das die Spasmen der glatten Muskulatur lösende Papaverin.

Vom Rohopium zu unterscheiden ist das Rauchopium, das auch Chandu genannt wird. Es wird durch ein aufwendiges mechanisches und extraktives Verfahren und anschließender mehrmonatiger Fermentation mit dem Schimmelpilz Aspergillus niger hergestellt. 

Das Fermentationsprodukt wird dann solange getrocknet, bis sich eine feste, knetbare Masse gebildet hat. Bei der Fermentation werden bestimmte Nebenalkaloide des Mohnsaftes zerstört und der Gehalt an Morphin erhöht. Zudem entstehen bei diesem Prozess neue psychotrope Substanzen, die ursprünglich nicht im Milchsaft der Samenkapsel enthalten waren.

Gewinnung von Opium

Opium wird aus dem Milchsaft, umgangssprachlich auch als „Mohnsaft“ bezeichnet, der unreifen Samenkapseln des Schlafmohns (Papaver somniferum) gewonnen. Der Schlafmohn zählt zu den ältesten Heilpflanzen. 

Etwa ein bis zwei Wochen nach der Blüte werden am späten Nachmittag die Samenkapseln mit kleinen Messerchen angeritzt. Der Milchsaft tritt aus, verfestigt sich und färbt sich durch Autoxidation phenolischer Komponenten dunkel. Am folgenden Morgen wird das schwarzoxidierte Rohopium von den Kapseln abgekratzt. Dieser Vorgang wird mehrmals wiederholt. Eine Samenkapsel ergibt etwa 20 bis 50 Milligramm an Rohopium.

Opium hat Geschichte geschrieben und Kriege ausgelöst

Opium ist aber nicht nur eine Chemikalie, sondern ein pharmakodynamisch aktives Stoffgemisch, das Weltgeschichte geschrieben hat. 

Anfang des 19. Jahrhunderts überschwemmten die Briten das chinesische Festland tonnenweise mit Opium aus dem indischen Bengalen, um ihre stark negative Bilanz im Chinahandel auszugleichen. Die Folge davon waren starke soziale und gesundheitliche Verwerfungen in China. Die Zahl der Süchtigen stieg exponentiell an. 

Der einsetzende Widerstand des chinesischen Kaiserreiches wurde im Ersten Opiumkrieg (1839-1842) gebrochen. Die siegreichen Briten konnten China zu Verträgen zwingen, die die chinesische Souveränität ihres Außenhandels einschränkten und die chinesischen Märkte für die Briten öffnete. Weitere weitreichende Zugeständnisse musste China im Zweiten Opiumkrieg (1856-1860) ihren Kriegsgegnern Großbritannien und Frankreich machen. Beim zweiten Kriegsgeschehen unterstützte Frankreich die Briten, um selbst seinen Einfluss im Ostasienhandel zu stärken.

1880 gab es im chinesischen Kaiserreich etwa 20 Millionen Süchtige, verschärfende Gesetze bewirkten wenig und brachten kaum Besserung. Für das Jahr 1945 wird die Zahl der Süchtigen auf 40 Millionen geschätzt. Erst unter Mao Zedong (1893-1976), der 1949 die Macht in China übernahm, gelang es, den Opiumhandel und Konsum einzudämmen. 

Opiumhöhlen und Chinatowns

Während dieser Zeit, also Anfang des 19. Jahrhunderts, entstanden auf dem chinesischen Festland tausendfach Rauchsalons, auch Opiumhöhle oder Opium-Divan, genannt, in denen Opium legal oder illegal verkauft und geraucht werden konnte. Manche Opiumhöhlen waren höchst prunkvoll eingerichtet, viele aber schlicht ausgestattet und ein Abbild des Elends der Süchtigen (Abb. 10). 

Mit den chinesischen Seeleuten entstanden sogenannte Chinatowns in vielen Großstädten in Ostasien und Nordamerika sowie in den Hafenstädten an der Westküste Europas. In diesen Bezirken haben sich auch Opiumhöhlen weltweit verbreitet. Dazu gehörte auch Hamburg, das in den 1910er und 1920er Jahren mehrere Opiumhöhlen beherbergte. Zwei davon wurden im August 1921 von der Polizei entdeckt und geschlossen.

Legaler Anbau ist streng reglementiert

Unter strenger Aufsicht der Vereinten Nationen dürfen sechs Länder (Australien, Frankreich, Indien, Spanien, Türkei und Ungarn) Opium legal produzieren, wobei auf die Türkei etwa die Hälfte der produzierten Menge entfällt. Darüber hinaus findet für medizinische Zwecke auch ein Anbau von Schlafmohn in anderen Ländern statt, wie z.B. im Waldviertel in Niederösterreich. Die größten Länder mit nicht-legalisiertem Anbau sind Laos, Myanmar, Thailand (das „Goldene Dreieck“) sowie Afghanistan. Seit 2021 besteht seitens der Taliban ein Anbauverbot für Schlafmohn in Afghanistan.

Kein Risiko: Mohnkuchen

Unbedenklich und völlig legal sind dagegen Lebensmittel wie Mohnkuchen oder Mohnbrötchen. Hier werden die Samen des Schlafmohns verarbeitet, deren Gehalt an Morphin und anderen Alkaloiden in der Regel so gering ist, dass keine gesundheitliche Gefahr besteht. 


Der Beitrag wurde vom Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit der Seniorexperten Chemie, einer Fachgruppe der Gesellschaft Deutscher Chemiker, erstellt. 

Autor: Prof. Dr. Eberhard Ehlers (bearbeitet durch kjs, Redaktion FaszinationChemie)


In unserer Rubrik „Chemie überall“ geht es um chemische Verbindungen oder chemische Verfahren, die wir im Alltag nutzen oder um Substanzen, die immer mal wieder in den Schlagzeilen sind. Die Beiträge in leicht verständlicher Form sind von Chemikerinnen und Chemikern geschrieben. Alle Beiträge der Reihe: https://faszinationchemie.de/chemie-ueberall

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