Cadmium – Von gelben Postautos, Frostbeulen und falschen Infusionen

 

Cadmium kommt in der Natur selten vor. Trotzdem wurde es ab dem 19. Jahrhundert für viele Anwendungen genutzt. Wohl bekannt sind beispielsweise Nickel-Cadmium-Akkus. Heute wird Cadmium seltener verwendet. Spannende Geschichten zu seiner Entdeckung und zur Toxizität gibt es dennoch.

Der Name Cadmium stammt vom griechischen Wort Kadmeia. Ein Begriff, der für Mineralien verwendet wurde, die beim Verarbeiten mit Kupfererzen Messing ergaben. Ein solches Mineral war auch Galmei, eine Mischung von verschiedenen Zinkerzen, zumeist Zinkcarbonat und Zinksilikat in unterschiedlichen Gewichtsanteilen und eben gelegentlichen Beimengungen von Cadmium.

Seltener Freund des Zinks

Cadmium ist ein silbrig glänzendes, weiches und duktiles Metall. Eine Cadmiumstange lässt sich biegen und gibt dabei ein knisterndes Geräusch von sich, das man auch von einigen anderen Metallen kennt: das „Zinngeschrei“.

Das Metall kommt in der Natur sehr selten und fast immer als zweiwertiges Ion vor. Man findet es – in Begleitung von Zinkerzen – als Cadmiumblende (CdS) oder als Cadmiumcarbonat (CdCO3). Elementar ist Cadmium noch seltener. Es gibt jedoch Fundstätten in Ostsibirien, Kasachstan und dem US-Bundesstaat Nevada. Heute fällt es als Nebenprodukt bei der Zinkgewinnung an. 

Wettlauf um die Entdeckung eines neuen Elements

Über die Entdeckung des Metalls gibt es verschiedene Überlieferungen, die alle etwa zeitgleich um 1820 stattgefunden haben sollen.

So beobachtete der Chemiker Carl Wilhelm Gottlob Kastner die Abscheidung eines Metalls in einer galvanischen Zelle, hielt es aber für Zink. Friedrich Strohmeyer, ebenfalls Chemiker, bemerkte eine gelbbräunliche Färbung von Zinkoxid beim Erhitzen. Er wunderte sich, denn eigentlich war er sich sicher, dass kein Metall zugegen war, das diese Färbung verursachen konnte.

Etwa zur selben Zeit führte der Kreisphysikus Johann Roloff im Rahmen einer Apothekenprüfung in Magdeburg eine Arzneistoffkontrolle durch. Aus einer zinkhaltigen Lösung fiel ein gelber Niederschlag aus, nachdem er Schwefelwasserstoff eingeleitet hatte. Wie auch den anderen Wissenschaftlern war ihm zunächst nicht klar, dass er ein neues Element nachgewiesen hatte.

Wer nun wirklich der Entdecker des seltenen Elements war, kann nicht mehr genau nachvollzogen werden. Die erste Veröffentlichung geht aber auf Strohmeyer zurück, der dem Metall auch den Namen Cadmium gab.

Cadmium in der Kunst, der Technik und bei der Deutschen Bundespost

Cadmiumsulfide und -Selenide wurden als Pigmente verwendet. In diesen lassen sich sowohl die Kationen als auch die Anionen substituieren, wodurch man eine ganze Reihe von unterschiedlichen Farbpigmente von gelb bis braunrot erhält. Diese wurden ab Mitte des 19. Jahrhundert verwendet. Erst selten, dann ab 1925, als die Bayer AG Cadmiumgelb industriell herstellen konnte, auch häufiger.

Lange Zeit galt es als guter Ersatz für Chromgelb, weil man dachte, es sei weniger giftig als dieses. In einigen bekannten Gemälden wurde Cadmiumgelb nachgewiesen. So zum Beispiel in Claude Monets „Bordinghera“, auch wenn es auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist, und in James Ensors „Carnival“, ebenso wie in Berthe Morisots „Sommertag“ (unten).

Bis 1980 war Cadmiumgelb die Farbe der Deutschen Bundespost. Die gelben Postbriefkästen tragen die Farbe auch heute noch.

Cadmium wurde zudem als Korrosionsschutz für andere Metalle eingesetzt. Außerdem wurde es in Ni-Cd-Akkus und in der Halbleitertechnik verwendet. Das Nebengruppenelement war früher in Lötzinn, in Schaltkontakten und Sensoren enthalten. Ab der Jahrtausendwende wurde der Einsatz des Metalls stark reglementiert und für viele Anwendungen ganz verboten.

Zum Teil werden cadmiumhaltige Pigmente, etwa für Gemälde oder zum Restaurieren historischer Kunstwerke heute noch verwendet. Sie enthalten deutlich weniger Cadmium als früher und sind chemisch sehr stabil und daher bei bestimmungsmäßigem Gebrauch nicht gefährlich. Falls es zu einem Brand kommt, entsteht allerdings das sehr toxische Cadmiumoxid.

Cadmiumvergiftungen sind selten, können aber tödlich sein

Schon frühe Berichte aus dem 19. Jahrhundert zeugen von der Gesundheitsschädlichkeit des Metalls. Trotzdem wurde Cadmiumiodid als Mittel zur Behandlung von geschwollenen Gelenken und Frostbeulen eingesetzt.

Heute wird das Metall und viele seiner Verbindungen als toxisch und cancerogen (krebserregend) eingestuft. Durch Düngung mit Klärschlämmen und über Pestizide gelangt es dennoch in unsere Nahrungskette und wir nehmen eine geringe Menge davon auf. Gesundheitlich bedenklich ist das in der Regel jedoch nicht, denn Cadmium wird schlecht resorbiert. Ein kleiner Teil wird jedoch in Leber und Nieren über Cadmium-Schwefel-Bindungen in Proteinen gespeichert, wo es jahrzehntelang verbleibt. Im Durchschnitt enthält ein erwachsener Körper 20-70 mg Cadmium, besonders hohe Werte findet man bei Raucher:innen.

Akute Cadmium-Vergiftungen führen innerhalb von wenigen Tagen zum Tod. Diese leidvolle Erfahrung mussten Bauarbeiter 1966 in England machen: Schweißarbeiten an Befestigungen der Seven Road Bridge setzen große Mengen des giftigen Metalls frei, denn Cadmium war als Korrosionsschutz für die Bolzen verwendet worden.

Mitte der 1950er Jahre brach in der japanischen Stadt Fuchu eine merkwürdige Krankheit aus. Die Bewohner nannten sie „Itai-Itai“, was sich mit „Aua-aua“ übersetzten lässt. Grund dafür war die Kontamination von Reis mit Cadmium, das von Abraumhalden einer nahegelegenen Mine über Flusswasser ins Umland gelangt war.

Bei chronischen Vergiftungen werden vor allem Schädigung der Nieren und der Leber beobachtet. Auch Beeinträchtigungen der Knochen können vorkommen. Akute Vergiftungen gehen mit Kopfschmerzen, Verwirrtheit und Fieber einher. Je nach Aufnahmeweg werden auch Atemwege oder Verdauungsorgane geschädigt.

Eine tragische Verwechslung in den 1940er Jahren führte zu einer schweren und tödlichen Akutvergiftung: ein pharmazeutisches Unternehmen lieferte statt einer Calcium-Infusionslösung eine Cadmiumlösung. Der Fehler blieb unbemerkt und führte bei einem 18-jährigen Patienten binnen einer Dreiviertelstunde zum Tod. Da das giftige Metall aber heute keine breite Anwendung mehr findet, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass man auf gesundheitsgefährdende Mengen trifft.


Dr. Carolin Sage

Consider Science

Quellen

https://institut-seltene-erden.de/seltene-erden-und-metalle/strategische-metalle-2/kadmium/

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Cadmium. Entdeckung des Cadmiums in Zinkerzen durch das Lötrohr, Arch. Pharm., 5 (1), 1823

Kastner, C. W. G.: Berlinisches Jahrbuch für die Pharmazie und für die damit verbundenen Wissenschaften 20, 259 (1819)

https://materialarchiv.ch/de/ma:material_1597?maapi:f_collections=ma:collection_499

K. H. Tiele et al., Über die Entdeckung des Cadmiums vor 150 Jahren, Z. Chem.,9 (2), 1969

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Emsley, J., Sonne, Sex und Schokolade. Mehr Chemie im Alltag, Wiley-VCH, Weinheim 2003

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Kamakura, M., 1943, Über eine Cadmium-Vergiftung, aus: Sammlung von Vergiftungsfällen, Springer-Verlag GmbH, Heidelberg 1943. https://doi.org/10.1007/978-3-662-32714-2_38 

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