Gewebe aus dem Drucker
100 Jahre Makromolekulare Chemie
Der 3D-Biodruck verfolgt das Ziel, eines Tages automatisiert und reproduzierbar humane Gewebemodelle für medizinische Forschungen, zur patientenspezifischen Testung von Medikamenten und zum Ersatz von Tierversuchen herzustellen. Bis dahin ist es zwar noch ein weiter Weg, die ersten Grundsteine werden jedoch schon gelegt.
Was ist 3D-Biodruck?
Die Additiven Fertigung, bekannt als 3D-Druck, erstellt ein dreidimensionales Modell aus einem digitalen Datensatz, indem verschiedene Materialien Schicht für Schicht aufeinander abgelegt werden. Im Gegensatz zum gängigen 3D-Druck nutzt der 3D-Biodruck lebende Zellen, Zellaggregate oder biologisch aktive Substanzen als Ausgangsstoffe, sogenannte Biotinte – das Prinzip des Druckens funktioniert gleich [1, 2]. Aus hierarchischen dreidimensionalen sollen dann dreidimensionale Gewebe reifen.
Außer Zellen besteht die Botinte noch aus zellkompatiblen druckbaren Materialien. Das verwendete Trägermaterial schützt die Zellen und ermöglicht oder verbessert die Druckbarkeit der Biotinten oft entscheidend. Im Gegensatz zu klassischen 3D-Druckverfahren, können hier keine zellschädlichen Methoden wie Hitze oder giftige Vernetzer verwendet werden. Das schränkt die Auswahl der verfügbaren Verfahren und Materialien ein [3, 4]. Das am häufigsten eingesetzte und vielseitigste 3D-Biodruckverfahren ist der sogenannte extrusionsbasierte Biodruck. Hierbei wird Material aus einer Kartusche auf einer computergesteuerten Plattform abgelegt, Lage-für-Lage bildet sich dann das gewünschte Objekt. Stark vereinfacht können wir uns das so vorstellen: Wir drücken Zahnpasta aus einer Tube und malen damit Strukturen, bei denen wir Schichten aufeinander ablegen. Die Trägermaterialien sorgen dafür, dass die abgelegten Stränge auch nicht verlaufen und man die gewünschte Form erhält.
Makromoleküle in Biotinten
Bei der Herstellung von Biotinten kommen fast immer Makromoleküle zum Einsatz. Diese dienen als Bausteine für Hydrogele, aber auch als kolloidale Zellträger [4]. Natürliche Polymere wie Alginat, ein aus Braunalgen gewonnener Polyzucker, oder Gelatine, ein aus tierischen Produkten gewonnenes Protein, sind derzeit dafür am häufigsten eingesetzt. Neben diesen gibt es aber auch synthetische Materialien, die maßgeschneidert werden können. Ausgenutzt wird hierbei, dass diese Makromoleküle ab einer gewissen Konzentration, Polymergröße und Form scherverdünnend werden. Das bedeutet, dass ihre Viskosität bei Erhöhung der Scherkräfte abnimmt. Das ist wichtig, um eine hohe Auflösung zu erreichen, die durch die Verwendung feiner Düsen sichergestellt wird. Zudem schützt es die Zellen vor zu hohen mechanischen Kräften bei der Verarbeitung. Neben dem Molekulargewicht können auch die Interaktionen zwischen den Makromolekülen so angepasst werden, dass die Materialien noch weiter erhöhte scherverdünnende Eigenschaften aufweisen. Neben den kovalenten Wechselwirkungen werden in der Biotintenentwicklung auch dynamische, physikalische Vernetzungsverfahren immer wichtiger [5].
Auch die Vernetzung der Materialien nach dem Druck entscheidet über die Eigenschaften des finalen Konstrukts. Um die Zellen versorgen und am Leben halten zu können, sollten die verwendeten Materialien besondere Eigenschaften aufweisen: Das Ziel ist es, die Zellen vor dem Austrocknen zu schützen und sie mit Nährstoffen zu versorgen sowie die von ihnen erzeugten Abfallprodukte zu entsorgen. Hierfür eignen sich Hydrogele, das sind hydrophile, 3-dimensional vernetzte Makromoleküle, die in Wasser quellen, sich aber nicht auflösen. Diese können im gequollenen Zustand bis zu 99% ihres eigenen Gewichts an Wasser aufnehmen. Wird die Vernetzung zwischen den Molekülen so angepasst, dass das Netzwerk nicht zu dicht ist, verbleiben die Zellen in den Gelen und die Versorgung der Zellen mit Nährstoffen kann sichergestellt werden.
Von gedruckten Hydrogelen zu Gewebemodellen
Ob es tatsächlich möglich ist, zum Beispiel Haut, bestehend aus mehreren unterschiedlichen Zell- und Materiallagen mittels 3D-Biodruck im vollen Umfang nachzuahmen und dadurch ihre Funktion zu restaurieren, muss noch nachgewiesen werden [5]. Durch die verbesserte Auflösung der Druckverfahren und eine größere Bandbreite möglicher Biotinten wird dies aus technischer Sicht immer besser umsetzbar. Allerdings muss die Biologie noch weiter erforscht und besser verstanden werden, insbesondere die Wechselwirkung der Zellen untereinander und mit dem Material in der neu geschaffenen dreidimensionalen Umgebung. Wichtig ist aber auch, jeweiligen strukturellen und biochemischen Faktoren der Biotinten sowie deren Einfluss auf das Verhalten der Zellen zu untersuchen. Hierzu werden die Makromoleküle, aus denen die Biotinten bestehen, so angepasst, dass sie die natürliche Umgebung der Zellen, die sogenannte Extrazellulärmatrix, auch auf molekularem Level nachahmen. Sie werden dazu zum Beispiel mit funktionalen Komponenten ausgestattet. Zellen erkennen diese und stimulieren so ihre natürliche Umgebung.
Neben diesen Herausforderungen beschäftigen sich die Wissenschaftler, die in diesem Feld arbeiten, auch mit der Neubildung von Gefäßen, um auch die Zellen im Inneren größerer Konstrukte noch gut mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen zu können. Dazu statten sie diese mit Kanälen aus. Dies ist besonders im Bereich der Kapillaren, den feinsten Blutgefäßen in menschlichen Geweben, noch eine große Herausforderung darstellt.
Wie sieht die Zukunft des 3D-Biodrucks aus?
Der 3D-Biodruck ist eine junge Technologie, die in vieler Hinsicht noch in den Kinderschuhen steckt. Trotz einiger Herausforderungen gewinnt das Feld stetig neue Erkenntnisse, um dem Ziel eines mittels 3D-Biodruck erzeugten Gewebes Schritt für Schritt näherzukommen. In den letzten Jahren haben sich die Forschungsaktivitäten darauf fokussiert, Materialbasis für Biotinten vorzubereiten. Ebenso entwickeln sich Druckmethoden stetig weiter. Nun muss man diese Entwicklungen dafür einsetzen , nicht nur strukturell definierte, sondern auch biologisch funktionale Strukturen herzustellen [5]. Hierzu muss die makromolekulare Forschung vor allem eng mit der Zell- und Entwicklungsbiologie zusammenarbeiten. Daraus ergeben sich neue Anforderungen für Biotinten, die neue maßgeschneiderte makromolekulare Komponenten benötigen. Zusammen mit der Weiterentwicklung der Drucktechnologien ist die Biofabrikation damit ein immens interdisziplinäres Feld, das Digitalisierung mit biologisch inspirierten Materialien vereint. Gelingt diese Zusammenarbeit, bietet der 3D-Biodruck eines Tages künstliche, am Computer entworfene und an den Patienten angepasste Gewebemodelle. So verspricht der 3D-Biodruck langfristig therapeutisches Potential.
Autoren: Dr. Tomasz Jüngst und Prof. Dr. Jürgen Groll (Julius-Maximilians-Universität Würzburg)
Redaktionelle Bearbeitung: Lisa Süssmuth, GDCh
Literatur
[1] Groll, J.; Burdick, J. A.; Cho, D. W.; Derby, B.; Gelinsky, M.; Heilshorn, S. C.; Jungst, T.; Malda, J.; Mironov, V. A.; Nakayama, K.et al. A definition of bioinks and their distinction from biomaterial inks. Biofabrication 2018, 11 (1), 013001.
[2] Groll, J.; Boland, T.; Blunk, T.; Burdick, J. A.; Cho, D.-W.; Dalton, P. D.; Derby, B.; Forgacs, G.; Li, Q.; Mironov, V. A.et al. Biofabrication: Reappraising the definition of an evolving field. Biofabrication 2016, 8 (1), 013001.
[3] Malda, J.; Visser, J.; Melchels, F. P.; Jungst, T.; Hennink, W. E.; Dhert, W. J. A.; Groll, J.; Hutmacher, D. W. 25th anniversary article: Engineering hydrogels for biofabrication. Advanced Materials 2013, 25 (36), 5011-5028.
[4] Jungst, T.; Smolan, W.; Schacht, K.; Scheibel, T.; Groll, J. Strategies and molecular design criteria for 3d printable hydrogels. Chemical Reviews 2016, 116 (3), 1496-1539.
[5] Levato, R.; Jungst, T.; Scheuring, R. G.; Blunk, T.; Groll, J.; Malda, J. From shape to function: The next step in bioprinting. Advanced Materials 2020, DOI:10.1002/adma.201906423 10.1002/adma.201906423, e1906423.
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